Veröffentlicht inHamburg

Hamburg: Mutter eines behinderten Jungen klagt Stadt an – „Habe keine Lust mehr!“

Hamburg: Mutter eines behinderten Jungen klagt Stadt an – „Habe keine Lust mehr!“

Hamburg Barrierefreiheit.jpg
In Hamburg sind zwar viele Haltestellen barrierefrei ausgebaut – trotzdem bleibt Bahnfahren für Rollstuhlfahrer eine Herausforderung (Symbolbild). Foto: dpa
  • Ein Gastbeitrag für MOIN.DE

Hamburg. 

Mein Name ist Christiane S., ich wohne in Hamburg und habe einen Sohn mit einer Muskelerkrankung. Seit er vor neun Jahren seine Gehfähigkeit verloren hat, nutzt er einen Elektrorollstuhl.

Immer wieder stelle ich fest, dass es in Hamburg noch erstaunlich viele öffentliche Gebäude und Bahnstation gibt, die nicht barrierefrei sind. Wir sind noch lange nicht die Inklusionsmetropole, von der alle sprechen.

Hamburg: Bahnen sind barrierefrei – und trotzdem eine Hürde

Die S-Bahn ist das beste Beispiel: Da gibt es extra gekennzeichnete Bereiche für den Einstieg für Rollstuhlfahrer, nämlich direkt hinter dem Fahrer, damit dieser die mobile Rampe hinlegen kann.

Obwohl hinknallen vielleicht das passendere Wort wäre – nachdem sich mancher Zugführer erst einmal darüber beschwert, dass mein Sohn den Arm nicht gehoben hat, um zu signalisieren, dass er einsteigen möchte.

———————————–

MOIN.DE ist das neue Newsportal für Hamburg und den Norden. Wer wir sind und was wir vorhaben – hier weiterlesen >>

Und wie findest du MOIN.DE? Schreib uns deine Meinung – klipp & klar an moin@moin.de!

Hier findest du uns bei Facebook >>

Und hier auf Instagram >>

———————————–

Dass ihm dafür schlicht die Armkraft fehlt und er nicht einmal allein eine Gabel zum Mund führen kann, weiß der Fahrer natürlich nicht.

+++ Schleswig-Holstein greift durch – das könnte dir beim Strandausflug drohen +++

Wenn nun aber längere oder kürzere Züge eingesetzt werden, steht der Rollstuhlfahrer an der falschen Stelle und muss sich seinen Weg zwischen den Menschen hindurch zum ersten Wagen bahnen. Eine Lautsprecherdurchsage würde helfen, aber auf die wartet man vergeblich.

Arztbesuch wird zum Hindernis

Ein weitere Problem sind Arztpraxen. Jeder Mensch hat freie Arztwahl – nur nicht Menschen im Rollstuhl. Die müssen sich auf Ärzte beschränken, deren Praxis sie befahren können. Sehr viele davon gibt es in Hamburg aber nicht.

Auf der Suche nach einem Optiker oder einem Augenarzt, der bei meinem Sohn die Sehstärke messen kann, habe ich mir die Finger wundtelefoniert – nichts zu machen. Wenn er sich nicht auf den Optikerstuhl umsetzen kann, was bei Muskelkranken leider nicht mal so eben geht, dann wird das nichts mit der Messung.

—————–

Top-News aus Hamburg:

Hamburg: Messerattacke vor Bäckerei! Täter gefasst – Suche nach Motiv läuft

HSV: Tragischer Trainings-Unfall – für einen Spieler läuft es vor dem Wiederstart einfach nur katastrophal

Hamburg: Radfahrer machen Stadt schwere Vorwürfe – „Völlig unverständlich“

—————–

Auch ein rollstuhlgerechtes Taxi zu bekommen ist in Hamburg eine Herausforderung. Wenn man das nicht Tage im Voraus anmeldet, kann man das vergessen. Spontaneität? Fehlanzeige!

Überhaupt weiß man nie, ob man als Rollstuhlfahrer sein Ziel erreicht. Ob man es pünktlich schafft, ist da beinahe schon zweitrangig.

Frustration und Unsicherheit

Was auch oft passiert, ist, dass man in einem Restaurant anruft und fragt, ob man mit einem Rollstuhl reinkommt. Dann heißt es zuerst, das sei kein Problem.

Vor Ort stellen wir aber fest, dass da doch eine kleine Schwelle ist, die keiner gesehen hat und die man mit einem E-Rollstuhl nicht mal so eben passieren kann. Hungrig nach Hause zu fahren und sich eine Notpizza in den Ofen schieben zu müssen, hebt nicht gerade die Stimmung.

+++ Hamburg: Neue dreiste Masche – so nehmen Diebe die Hamburger aus, ohne dass die sich wehren können +++

Das Ende vom Lied: Man bleibt immer öfter zu Hause, weil man auf solche Frustrationen oder auf diese Unsicherheiten und Unwägbarkeiten einfach keine Lust mehr hat.

„Als ob das Denken einfach aufgehört hätte“

Natürlich klagen wir in Deutschland auf hohem Niveau. Dennoch gibt es noch viel zu tun und immer scheinen es die letzten zehn Prozent zu sein, die zu einer wirklich barrierefreien Lösung fehlen – als ob das Denken an einer bestimmten Stelle einfach aufgehört hätte.

Das ist sicher kein böser Wille, sondern eher Unkenntnis oder ein fehlendes Bewusstsein für Menschen im Rollstuhl. Mein Sohn und ich sind uns einig: Würden die Entscheider selbst mal eine Woche im Rollstuhl durch die Stadt fahren, würden sie merken, wo überall noch Luft nach oben ist.