Veröffentlicht inHamburg

Hamburg: Die Menschen hier dürfen jetzt noch stärker überwacht werden – der Verfassungsschutz-Chef verrät, was er vorhat

Hamburg: Die Menschen hier dürfen jetzt noch stärker überwacht werden – der Verfassungsschutz-Chef verrät, was er vorhat

Thorsten Voß.jpg
Hamburg: Das Landesamt für Verfassungsschutz im Kampf gegen Extremisten (Symbolbild)

Seit einer Gesetzesänderung im April dieses Jahres verfügen das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg (LfV) und die Hamburger Polizei über neue Befugnisse.

So darf das LfV mit Zustimmung der Hamburgischen Bürgerschaft verschlüsselte Nachrichten von Messenger-Diensten mithören und lesen. Zum Einsatz kommen sogenannte Trojaner. Dagegen haben jetzt die Gesellschaft für Freiheitsrechte und andere Nichtregierungsorganisationen in Hamburg Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die Initiatoren sehen eine Verletzung der Telekommunikationsgeheimnisse und der IT-Grundrechte der Betroffenen.

Darüber sprach MOIN.DE mit Torsten Voß (55), dem Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes.

+++ Hamburg: Neue Corona-Verordnung! Diese Regeln gelten jetzt für die Hansestadt +++

MOIN.DE: Herr Voß, haben Sie Verständnis für die Verfassungsbeschwerde?

Torsten Voß: Der Verfassungsschutz braucht die Befugnisse, um im Kampf gegen den Extremismus und Terrorismus auf Augenhöhe zu bleiben. In Hamburg haben wir eine Quellen-TKÜ (Quellen-Kommunikationsüberwachung) im Gesetz. Das bedeutet, wenn Extremisten mithilfe bestimmter Anbieter verschlüsselt miteinander kommunizieren, bekommen wir das leichter mit.

Wir installieren Software auf das Handy des Verdächtigen, bevor das Gespräch über den Äther geht. Wir können das gesprochene oder geschriebene Wort abfangen, bevor es verschlüsselt wird. Das haben der rot-grüne Senat und die Bürgerschaft beschlossen.

+++ Hamburg: Autofahrer rast der Polizei davon – aus gutem Grund +++

Wenn ein Pulli irgendwo im Netz günstiger zu bekommen ist, dann werden alle Daten an ein kommerzielles Unternehmen eingegeben und man macht sich keine Sorgen. Aber wenn Sicherheitsbehörden Daten erheben, um die Menschen in unserem Land vor Extremismus und Terrorismus zu schützen, dann wird von einigen Seiten Misstrauen gesät.

Ich bin aber davon überzeugt, dass die große Mehrheit der Bevölkerung hinter ihren Sicherheitsbehörden steht.

——————–

Das ist Torsten Voß

  • Voß wurde 1965 in Hamburg geboren
  • Seit 2014 ist er Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Hamburg (LfV)
  • Davor war er seit 2011 stellvertretender Amtsleiter und gleichzeitig Leiter der Staatsschutzabteilung des LfV.
  • Seit 2018 ist er der Vorsitzende des Arbeitskreises IV „Verfassungsschutz“ der Innenministerkonferenz.
  • Er begann 1981 mit der Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst, danach studierte er für den gehobenen Polizeivollzugsdienst. (Er arbeitete unter anderem als Zivilfahnder an der Davidwache)
  • 1998 begann er das Studium zum höheren Polizeivollzugsdienst, das er 2000 erfolgreich abschloss.
  • Torsten Voß arbeitete als Referent im Präsidialstab des Polizeipräsidenten, von 2002 bis 2007 war er stellvertretender Leiter und Leiter des Mobilen Einsatzkommandos.
  • Von 2007 bis 2011 war er Büroleiter des jeweiligen Innensenators und Leiter der Präsidialabteilung der Innenbehörde.
  • Er ist verheiratet und hat vier Kinder, der älteste Sohn ist Polizeibeamter.
  • Sein Hobby ist Laufen bei der „Elbstaffel“, wo er sich im Team von acht Olympiasiegern und zehn Weltmeistern beweist.

——————–

Was konkret bedeutet es, wenn eine Person oder eine Gruppierung unter Beobachtung steht?

Es bedeutet, dass wir genau beobachten und analysieren, ob eine Person oder ein Zusammenschluss von Personen gegen unser Grundgesetz, gegen unsere Demokratie agieren. Es geht uns also um Extremisten, Verfassungsfeinde.

Dabei schöpfen wir einen großen Teil unserer Informationen aus offenen Quellen, grundsätzlich etwa 70 bis 80 Prozent, also zum Beispiel aus offen zugänglichen Medien.

+++ Tim Mälzer hat eine folgenschwere Ankündigung für seine Fans: „Habe mich davon verabschiedet“ +++

Bei der Beobachtung von Extremisten dürfen wir auch nachrichtendienstliche Mittel anwenden, die im Übrigen im Gesetz nachzulesen sind. So dürfen wir unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit überwachen, observieren oder auch Vertrauenspersonen führen.

Uns interessiert, ob Extremisten gewaltorientiert sind und mit wem sie sich vernetzen. Neu ist seitdem, dass wir auch die Möglichkeit haben, Minderjährige zu speichern, und zwar zuvorderst als gefährdete Kinder, die beispielsweise in extremistischen Familien leben.

Wie ist das zu verstehen?

Ein Beispiel: Wir bekommen Informationen über eine Familie, deren 20-jähriger Sohn in Syrien für den IS gestorben ist. In Hamburg feiert die Familie mit dem neunjährigen Sohn den Märtyrer-Tod des Bruders. Früher durften wir diese Information nicht dem zuständigen Jugendamt mitteilen – jetzt dürfen wir die Jugendbehörde informieren. Dazu dürfen wir eine Zeitlang die Daten des Kindes aufbewahren, bevor wir sie wieder löschen.

+++ Ina Müller mit Lockdown-Geständnis – was ihr Freund Johannes Oerding wohl davon hält? +++

Meine Botschaft ist, dass man in einigen Bereichen unserer Gesellschaft unseren Sicherheitsbehörden mehr Vertrauen schenken sollte. Wir haben gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen Eid auf die Verfassung, auf unsere Demokratie abgelegt haben. Sie gehen vertrauensvoll mit Daten um und erheben sie nur dann, wenn die Voraussetzungen vorliegen – eben dann, wenn es um die Bekämpfung von Extremisten geht.

——————–

Weitere Meldungen aus Hamburg findest du hier:

——————–

Der LfV arbeitet darüber hinaus auch mit V-Leuten. Welche Voraussetzungen müssen sie haben?

Vertrauenspersonen sind keine Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, sondern grundsätzlich Angehörige der extremistischen Szene, die uns Informationen liefern. Wir gewinnen sie in der Regel durch monetäre Anreize.

+++ 187 Strassenbande: Neues Video aufgetaucht! Sind die Rapper DESHALB im Libanon? +++

Sie dürfen aber nicht von uns finanziell abhängig sein oder schwere Straftaten begangen haben. Wenn wir eine Person anwerben, dann glauben wir natürlich nicht gleich jedes Wort, das sie sagt. Wir überprüfen in einem hochprofessionellen Prozess, der lange dauern kann, wie glaubwürdig die Quelle ist und ob die Informationen stimmen.

Wo werden sie in Hamburg hauptsächlich eingesetzt?

Da bitte ich um Verständnis, dass ich das aus operativen Gründen nicht sagen kann. Sonst würden wir unsere Ermittlungen gefährden, und auch unsere Vertrauenspersonen.

+++ Ina Müller schlüpft in eine völlig andere Rolle – „Es macht was mit mir“ +++

Solche geheimen Themen erörtern wir in einem speziellen parlamentarischen Ausschuss, in dem geheimschutzverpflichtete Abgeordnete der Bürgerschaft sitzen – denn natürlich gibt es auch bei geheimen Themen die parlamentarische Kontrolle.