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Hamburg: Ukrainische Familie tut nach schlimmem Schicksal alles – und steht doch vor dem Nichts… „Das ist kein Leben“

„Das ist kein Leben“, erzählt die Familie, die nach schlimmem Schicksal alles für eine Bleibe tut – die Stadt scheint die Augen zu verschließen…

Hamburg
© Maen Gesmati

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Es ist mehr als ein Jahr her, das die russischen Truppen erstmalig die Ukraine angriffen. Seitdem fliehen Millionen Ukrainer in Richtung Westen. Auch die Stadt Hamburg will ihren Beitrag leisten und nahm mittlerweile rund 33.000 ukrainische Geflüchtete auf.

MOIN.DE sprach mit mehreren ukrainischen Familien in Hamburg und sammelte Eindrücke – wie es den Geflüchteten geht, was sie für Schwierigkeiten haben und warum manche wieder in ihre Heimat zurückkehren. Eine von ihnen ist Familie Yevtushenko. Sie floh vor einem Jahr aus Kiew und lebt seitdem bei einer Gastgeber-Familie im Hamburger Stadtteil Blankenese.

Hamburg: Eine Familie steht vor dem Nichts

Olga verließ die Ukraine und kam mit ihrer Mutter Vira (71) und ihrem Sohn Marat (14) nach Hamburg. Mittlerweile lebete sich die Familie gut in der Hansestadt ein. Marat besucht das Gymnasium, Olga lernt fleißig Deutsch und hat inzwischen B-1 Niveau erreicht. Doch sie müssen fast jeden Tag eine Nervenschlacht schlagen und überlegen sogar, nach Kiew zurückzukehren. Was ist los?

Langsam mahlende Mühlen der Bürokratie sind schon seit langer Zeit nicht mehr ihr Hauptproblem, sondern die Angst, dass sie bald auf der Straße landen. Die Yevtushenkos wohnen seit knapp einem Jahr bei einer Gastgeber-Familie. Am Anfang waren alle drei willkommen, doch vor rund zwei Monaten änderte sich die Situation. Nach nun gut einem Jahr sei die Familie nicht mehr willkommen und müsste nun eine eigene Wohnung finden, erzählen die Betroffenen. „Ich muss bis Ende März eine Bleibe finden, sonst lande ich auf der Straße oder in einer Geflüchteten-Unterkunft“, sagt Olga gegenüber MOIN.DE und wirkt sehr überfordert und belastet.

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Olag und ihr Sohn Marat müssen wohl bald das Haus verlassen. Mutter Vira dürfe weiter dort bleiben, erzählen sie. Olga weiß es wertzuschätzen, dass die Gastgeber-Familie sie und ihre Familie rund ein Jahr untergebracht haben. Aber nun steht sie unter extremem Druck.

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Diese ukrainische Familie steht bald in Hamburg vor dem Nichts. v. l. n. r. Vira, Olga und Marat. Foto: Maen Gesmati

Olga sucht seit mehreren Monaten eine Wohnung. Doch es die Suche bleibt erfolglos. „Es ist fast unmöglich, eine Wohnung in Hamburg zu finden. Ich schaue täglich Online-Anzeigen durch und schreibe vielen Anbietern. Eine Antwort bekomme ich kaum. Ich hatte ein paar Besichtigungen, aber ich bekam immer Absagen“, sagt Frau Yevtushenko im Gespräch mit MOIN.DE.

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Hamburg: Stadt äußert sich

Olga hat eine große Befürchtung: „Wenn ich vor dem 01. April keine Wohnung finde, muss ich nach Kiew zurückkehren.“ Die Lage in Geflüchteten-Unterkünften beschreibt sie als „katastrophal und unerträglich“. „Dort halte ich es nicht aus. Das ist kein Leben“, erzählt Olga im Gespräch mit MOIN.DE.

Das Amt für Migration in Hamburg auf Anfrage von MOIN.DE weist zurück, dass die Lage in Hamburger Geflüchteten-Unterkünften schlecht sei.

Viele Schutzsuchende aus der Ukraine werden von der Stadt in Hotels oder Wohnungen untergebracht, auch Modulbauten und Containerbauten dienen als Unterkünfte. Notunterkünfte wie Hallen oder Zelte bieten zwar kaum Privatsphäre, dort bleiben Schutzsuchende aber nur so kurz wie möglich, bis in einer komfortableren Unterkunft Plätze frei werden. Alle Geflüchteten aus der Ukraine, die dauerhaft in Hamburg Schutz suchen, können untergebracht werden. Entweder in städtischen Unterkünften oder in privaten Haushalten.

Sagt ein Pressesprecher der Sozialbehörde gegenüber MOIN.DE.

Dass eine Beherbergung in einem Privathaushalt nicht auf unabsehbare Zeit möglich ist, hält die Sozialbehörde für selbstverständlich. „Die Stadt hat deshalb schon im letzten Sommer eine Aufnahmestelle für Schutzsuchende eingerichtet, die aus einem Privathaushalt in öffentliche Unterbringung wechseln. Laufend werden Personen und Familien aufgenommen“, so ein Pressesprecher.

Klingt doch alles fein, oder? Nicht ganz. Nach Recherche von MOIN.DE ist Familie Yevtushenko offenkundig nicht die einzige, die plötzlich unerwünscht ist und vor dem Nichts steht. Bereits in den ersten Gesprächen mit Betroffenen ergab sich, dass mehrere dutzende Familien wegen Wohnungsnot in Hamburg in die Ukraine zurückgekehrt sind.

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Außerdem bestätigte eine Sozialarbeiterin der Diakonie gegenüber MOIN.DE, dass die Situation in vielen Hamburger Geflüchteten-Unterkünften (das sind häufig auch Hotel-Anlagen) insgesamt schwierig ist. „Und zum Teil schlecht. Die Unterkünfte sollen verbessert werden. Das betrifft nicht nur die Ukrainer, sondern andere Geflüchtete auch“, lässt der Verband durchblicken.


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Olga und Marat können sich das Leben in einem Geflüchtetenheim nicht vorstellen. „Ich war bereits in einem solchen Hotel. Die Räume sind höchstens zehn Quadratmeter groß, man kann nirgendwo hintreten. Dort sitzen Kinder auf den Fluren, weil es in den Zimmern kaum Platz für sie gibt. Die Bewohner dürfen nur im Speisesaal des Hotels oder denen der Geflüchteten-Unterkunft essen. Die Essenszeiten in den Unterkünften würden mir nicht passen, weil ich in dieser Zeit in der Schule wäre. Es ergibt keinen Sinn, hier zu bleiben, wenn wir wie Obdachlose leben – dann tun wir es lieber in unserer Heimat“, sagt Olga im Gespräch mit MOIN.DE während sie parallel auf ihrem Handy nach einer Wohnung sucht.

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Denn noch bleibt Familie Yevtushenko optimistisch. Für jede Hilfe, die für sie eine dauerhafte und menschenwürdige Bleibe ermöglichen kann, wollen sie dankbar sein. Klappt es nicht, wollen die drei zurück nach Kiew gehen – dahin, wo der Krieg tobt.