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Norderney will sein wie Sylt – und verliert so alles, was mal gut war

Norderney hat Probleme – und sucht sich die billigste Lösung dafür aus, die es gibt. Da geht viel mehr! – ein Kommentar

© IMAGO/Zoonar

Norderney

– ein Kommentar

Norderney musste sich lange zwischen Investorendruck, 70er-Jahre-Gräuslichkeiten und herrschaftlicher Bäderarchitektur zerreißen. Dazu lange Jahre des „Ballermann“-Flairs und damit einhergehender Massentourismus, der die Insel noch heute erdrückt.

Dabei ist Norderney eine Insel, die sich zu behaupten weiß. Doch jetzt ausgerechnet Sylt nachzueifern, ist sicherlich der falsche Weg – und die Zeche zahlen alle, die Norderney lieben.

Norderney – eine schwierige Insel

Norderney, eine Insel mit Image. Dazu gehört (leider) auch das des „Ballermann des Nordens“. Vornehmlich Vergnügungshungrige waren sich selten zu schade, sich selbst viel Alkohol und der Gemeinde Geld in den Rachen zu schütten. Vom Flair des Kaiserbades von damals war schnell nichts mehr übrig. Anfang des 19. Jahrhunderts erhielt Norderney als erstes den Titel eines Nordseeheilbades, ganz richtig fühlt sich das heute nicht mehr an.

Zu sehr leidet Norderney unter Wohnungsnot (Quadratmeterpreis für Mietwohnungen stieg im vergangenen Jahr um etwa 10,4 Prozent und liegt aktuell bei durchschnittlich 14 Euro. Auch die Immobilienpreise für Kaufwohnungen steigen, mit einem aktuellen Durchschnittspreis von rund 5.634 Euro pro Quadratmeter). Die „Syltifizierung“ ist damit nicht nur ausgerufen, sie ist real – der Einheimische hat keinen Platz mehr.

+++ Klo-Posse auf Norderney! Gäste müssen pinkeln – lächerlich, was sie vorher tun sollen +++

Norderney, eine Insel, die was kann

Jetzt noch mehr Gäste auf die Insel zu locken, ist falsch. Die Menschen, die Norderney groß machen, die Kellner, Gastronomen, Bäcker, Kioskbetreiber und Döner-Meister, können sich Wohnraum kaum noch leisten. Pendeln ist noch mühsamer als Richtung Sylt, die Dichte an geplanten Hotel-Neubauten dafür ähnlich hoch. Dazu will man unbedingt „Europas Thalasso-Standort Nr. 1“ sein, also Superlative statt down-to-nature.

Die Hass-Liebe, die (Over-)Tourism mit sich bringt, ist nachvollziehbar wie berechtigt – Norderney krankt nicht als einzige Nordsee-Destination daran. Doch ein zu starker Fokus auf (hochpreisige) Hotellerie und Salzoase, Wellness-Tempelei á la „Lanser-Hof“ taten bereits Sylt nicht gut. Was die Menschen wirklich wollen: Lokalkolorit. Mit der Elektrobahn „Nixe“ oder „Delphin“ zum Strand fahren. Einheimische vom Format eines Orgie Smid oder eines Hörby treffen.


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Norderney, eine Insel, die was tun muss

Dabei hat Norderney bewiesen, dass clevere Köpfe die Insel nicht nur bewohnen, sondern sie auch gestalten. Als Norderney im Jahr 2003 kommunalisiert wurde, packten clevere Insulaner das heruntergekommene Ex-Kaiserbad und Millionengrab so richtig an. Jetzt gestaltet etwa das Brüderpaar Brune die Insel. Kritik: Das sind zwei Bonzen, die sich die Insel untertan machen. Tatsächlich wollen die Investoren, denen bereits drei Hotels und zwei Gastronomien auf der Insel gehören, ein Luxushotel mit 250 Betten (Hotel Luv) aus dem Boden stampfen.

Das braucht die Insel nicht wirklich. Wer nur die Reichen und Schönen anlocken will, verliert diejenigen, die Norderney zum Überleben braucht – die Einheimischen. Gleichzeitig betonen die Brüder Brune etwa, dass sie mit der „Sylt-Schiene“ gar nicht in Verbindung gebracht werden wollen und diese auch nicht vertreten. So wollten die Brunes in ihren Hotels sogar auf Fernseher verzichten, damit Gäste das Meer genießen können. „Also, wir persönlich verwenden gar nicht den Begriff Luxus. Die Natur ist unser Luxus. Das trifft es eigentlich viel stärker“, sagte Jens Brune gegenüber dem Deutschlandfunk.

Wenn sich Norderney wirklich von Sylt abheben will, muss es den Mut haben, Dinge anders zu machen. Tourismus und Wandel hin oder her – Norderney braucht eine eigene Identität. Sonst verlieren letztendlich alle.