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Hamburg-Alsterdorf: Nach Amok-Tat in Kirche – das sagen die Zeugen Jehovas

Nach der schrecklichen Blut-Tat in Hamburg-Alsterdorf äußern sich nun die Zeugen Jehovas – und bleiben vor allem bei einem Thema vage.

© IMAGO / Eibner

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Es ist eine unfassbare Tat, die weit über die Grenzen von Hamburg für tiefe Trauer und Erschütterung sorgt: Am späten Abend des 9. März drang Philipp F. (35) in den „Königreichssaal“, eines von der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas genutzten Gebäudes in Hamburg-Alsterdorf ein und ermordete acht Menschen. Viele weitere sind schwer verletzt.

Die Polizei spricht von einer Amok-Tat, die Glaubensgemeinschaft selbst zeigt sich erschüttert. Philipp F. war ehemaliges Mitglied der Gemeinde, er verließ die Gemeinschaft auf eigenen Wunsch. Michael Tsifidaris, Vorsteher von Jehovas Zeugen in Norddeutschland, muss sich unbequemen Fragen stellen – und bleibt vage.

Hamburg-Alsterdorf: Eingeschworene Gemeinschaft

Die Zeugen Jehovas sind eine christliche Gemeinschaft mit eigener Bibel-Auslegung. Sie wurde Ende des 19. Jahrhunderts in den USA gegründet und ist bekannt für strenge Regeln innerhalb von Liebesbeziehungen, außerdem lehnen die Zeugen Jehovas Bluttransfusionen strikt ab (>>>hier mehr).

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Mchael Tsifidaris, Regional-Beauftragter der Zeugen Jehovas, bei der Pressekonferenz der Polizei in Hamburg-Alsterdorf. Foto: MOIN.DE / Stephan Wipperfeld

Michael Tsifidaris, in seiner Funktion verantwortlich für 47 Gemeinden von Jehovas Zeugen in Hamburg, Bremen und Niederachsen, meldete sich während einer Pressekonferenz des Polizeipräsidiums Hamburg zu Wort. „Im Angesicht eines solchen Gewaltausbruchs fehlen uns die Worte“, sagte er. Gewalt habe keinen Platz im Glaubensverständnis von Jehovas Zeugen, betonte er immer wieder. Philipp F. sei während seiner Mitgliedschaft nicht auffällig geworden, berichtet Tsifidaris, auch Drohungen im Vorfeld seien „nicht bekannt“.


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Hamburg-Alsterdorf: Das Thema Blutkonserve

Doch wie verfahren Jehovas Zeugen mit jemandem, der innerhalb der Gemeinde doch zu Gewalt neigt und das auch offen zeigt? Solch ein Fall sei nicht „tolerabel“ beschwört Tsifidaris,

Die Tatsache, dass ein Mitglied von Jehovas Zeugen – so wie Philipp F. – über Munition und Schusswaffen verfügt, bezeichnet er als „verstörend“. Auf die Frage nach dem Versagen dringend benötigter Bluttransfusionen in Notfällen (mit möglicherweise tödlichem Ausgang) angesprochen, reagiert der Regional-Beauftragte von Jehovas Zeugen ausweichend.


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Hamburg-Alsterdorf: Das will die Gemeinde tun

„Wir wünschen uns für alle unsere Gemeindemitglieder die bestmögliche medizinische Behandlung“, beginnt er. Mehrfach wiederholt er dann, dass Bluttransfusionen bei lange vorbereiteten Operationen zum Einsatz kämen, die Frage nach der (Notfall-)medizinischen Versorgung hält er für eine „Diskussion, die hier überhaupt nicht relevant“ sei. Doch auch in Notfällen kommen nicht selten Blutkonserven zum Einsatz – ist der Blutverlust (etwa durch eine Schussverletzung) besonders hoch, greift man je nach Fall nicht erst im Krankenhaus zu Blutkonserven.

Dennoch zeigt sich Tsifidaris zutiefst dankbar gegenüber den behandelnden Ärzten, die sich der großen Zahl an Verletzten nach der schrecklichen Amok-Tat in Hamburg-Alsterdorf annehmen. Auf seelischer Ebene äußert er sich klar und deutlich: „Was wir als Gemeinde tun können, ist seelsorgerischen Beistand zu geben. Aber selbstverständlich können, wollen und dürfen wir in so einer Situation nicht auf professionelle medizinische und auch psychotherapeutische Unterstützung verzichten.“

Zu den Beweggründen von Philipp F., die Gemeinde zu verlassen, möchte er sich „der Vertraulichkeit“ halber nicht äußern. Das Verlassen von Jehovas Zeugen sei unkompliziert, gibt der Regional-Beauftragte an. Ein Mitglied der Gemeinschaft erkläre seinen Austritt mündlich oder schriftlich, das war’s, so Tsifidaris knapp.