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Hamburg: Unbekannter terrorisiert Hilflose – und führt sogar die Polizei an der Nase herum

Von einen Tag auf den anderen wurde das Leben zweier Menschen in Hamburg zum Albtraum. Später wurde sogar die Polizei selbst mit reingezogen.

Hamburg Polizei
© IMAGO / Hanno Bode

Die fünf krassesten Hamburger Kriminalfälle

Ihr Blick ist tränenverhangen und die Worte kommen ihnen kaum über die Lippen. Was zwei Hamburger seit Jahren durchmachen müssen, ist grausam und kaum vorstellbar. „Wir haben keine Kraft mehr“, erzählen die beiden Betroffenen in beklemmender Atmosphäre bei einem Interview mit MOIN.DE (hier mehr). Sie machen damit erstmals öffentlich, wie sich ihr Leben von einem Tag auf den anderen verändert hat.

Als Künstler stand Mr_Mansinthe (Wir verwenden ihre Künstlernamen, um sie zu schützen. Klarnamen sind der Redaktion bekannt) aus Hamburg schon länger in der Öffentlichkeit, als er plötzlich einem Unbekannten ins Radar fiel, der ihn von da an terrorisierte. Fakeprofile, gefälschte Nachrichten, Videos, Bilder und sogar eine Todesanzeige kursierten durch das Netz. Und sie waren nur der Anfang – das Cyber-Mobbing wurde seit 2019 immer einschneidender. Später geriet auch Ryu (Künstlername) mit ins Blickfeld des Unbekannten.

Bis die Polizei in Hamburg sich dem Thema ernsthaft annimmt, vergeht eine Weile, wie es in den Erzählungen heißt. Irgendwann, als die Beamten selbst ins Visier des Unbekannten gerieten, sollte sich die Lage ändern.

Hamburg: Terror im Netz

Die Palette an Vorwürfen ist bunt. „Zunächst waren es nur öffentliche Beleidigungen und Hasssprache gegen Mr_Mansinthe“, erklären die Betroffenen, „doch schnell wird das mit ihm vernetzte Umfeld hineingezogen und ebenfalls Ziel mehrerer Angriffe, beispielsweise durch Youtube-Videos und rufschädigende E-Mails an Kooperationspartner, teilweise im Namen der eigentlichen Opfer.“ Mr_Mansinthe wird unter anderem vorgeworfen, ein verurteilter Kinderschänder, ein Vergewaltiger und Entführer zu sein. Ryu soll seine minderjährige Prostituierte, in anderen Vorwürfen wiederum eine transsexuelle Sexarbeiterin sein. Wahllos werde ihnen auch angedichtet, rechtsradikale Absichten zu verfolgen.

2021 sei das Verhalten des Täters ohne erkennbaren Grund drastisch gestiegen. Seitdem ist auch Ryu Ziel der Angriffe. Angelegte Domains, Fake-Profile und gefälschtes Material wie retuschierte Porno-Filme stehen bei den beiden Leidtragenden schnell auf dem Tagesprogramm. Auch die Offline-Welt kommt dazu.

Die Folgen sind dramatisch. Darunter leiden Arbeitskontakte, sie verlieren Aufträge, die Wohnungssuche in Hamburg wird fast aussichtslos und sogar eine ehemalige Hausarztpraxis lehnt Ryu trotz akuter Probleme ab. Sie soll angeblich eine schlechte Bewertung für die Praxis verfasst haben.


Das ist Cybermobbing:

  • Cybermobbing beschreibt das absichtliche Bedrohen, Belästigen oder Beleidigen einer Person über das Internet.
  • Cybermobbing fällt unter Cyber-Kriminalität und stellt eine Form der psychischen Gewalt dar.

Hamburg: Hunderte Fakeprofile, es artet aus

Ihre eigenen Profile werden gesperrt, dafür aber kaum eines der gefälschten. Es seien gefühlt unendlich viele Beweisstücke und es werden weiter immer mehr (hier mehr darüber). „Trotz Meldung an die jeweiligen Plattformen wurden einige verletzende Inhalte bis dato nicht gelöscht“, schildert Ryu. Immer mehr geraten auch das Umfeld und die Jobs der beiden mit in die Situation.

Das Online-Mobbing führte auch zu physischen Angriffen. „Es gibt keinen Safe-Space mehr. Wer glaubt, man müsse einfach nur offline gehen, muss verstehen, dass die hauptsächliche Konfrontation im realen Leben stattfindet“, erklärt Ryu. „Dieser Psychoterror ist kein kindisches Internetmobbing, sondern blanke Existenzzerstörung“, stellt sie klar. „Wir werden unfreiwillig isoliert und in den Suizid getrieben.“

Hamburg
Ryu und Mr_Mansithe sind Opfer von Cyber-Crime. Foto: privat

Es gibt bis heute kein Entkommen und jeder Versuch, Hilfe zu bekommen, führt ins Nichts. „Ich war damit bei der Polizei und wurde lange nicht ernst genommen“, erzählt die Betroffene Ryu im Interview mit MOIN.DE.

„Zwar wurde mir zugehört, doch das mündlich Besprochene wurde trotz Versprechen nie zur Akte genommen“, berichtet Ryu. „Erst als die Polizei selbst durch eine Fakeseite auf den Täter aufmerksam wurde und uns als abgebildete Personen kontaktierte, wurde dem Dokumentations-Ordner endlich Aufmerksamkeit geschenkt.“ Diesen hätte sie bis dahin schon seit Monaten erstellt, um der Polizei Beweise vorlegen zu können.


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Hamburger Polizei gerät in die Situation

Es folgen immer mehr Vorfälle, bis hin zu einem konkreten Terroranschlag auf eine Kirche in Hamburg, der im Namen der Betroffenen verkündet wird. Diese hätten natürlich nichts dergleichen geplant.

Als eine gefälschte, reißerische Fahndung im Namen der Polizei Hamburg öffentlich wird, ist auch die zum ersten Mal unmittelbar betroffen. Zu diesem Zeitpunkt klinkte sich das LKA Hamburg im Bereich Cybercrime laut der beiden zum ersten Mal ein.

Bisher konnten Ermittlungen allerdings noch nicht ausmachen, wer dahinter steckt. Auch zu den weiteren Bereichen sind bisher keine Ergebnisse bekannt. Auf Anfrage von MOIN.DE bestätigt die Pressestelle der Polizei, dass die Ermittlungen in dem Fall laufen. Konkreteres kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht mitgeteilt werden, schreibt ein Pressesprecher.

Der Täter ist weiter unbekannt. Der Terror geht weiter. Die Betroffenen Ryu und Mr_Mansinthe sind weiter hilflos der Situation ausgesetzt.

>>Anmerkung der Redaktion

Wer unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leidet oder jemanden kennt, der daran leidet, kann sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie ist erreichbar unter der Telefonnummer 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.