St. Pauli ist ein vielschichtiges Viertel, das für seine lebendige Szene und Vielfalt bekannt ist. Gleichzeitig steigt die Kriminalität im Bereich Drogen. Die offiziellen Hamburger Kriminalstatistiken zeigen einen deutlichen Anstieg: Im Jahr 2023 wurden 17.022 Rauschgiftdelikte festgestellt, das entspricht einem Plus von 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Vor diesem Hintergrund hat der Senat die „Drogen-Taskforce“ ins Leben gerufen. Diese besteht bereits seit 2016 um verstärkt gegen Drogenhandel und -konsum vorzugehen. Seitdem führt die Taskforce der Polizei regelmäßig Schwerpunkteinsätze durch – mit zehntausenden Kontrollen und zahlreichen Ermittlungsmaßnahmen.
Die Taskforce soll durch verstärkte Polizeipräsenz und verdachtsunabhängige Kontrollen an sogenannten „gefährlichen Orten“ die öffentliche Sicherheit erhöhen und den Drogenhandel eindämmen. Dies soll vor allem in problematischen Bereichen wie St. Pauli den Alltag sicherer machen.
Kritik: Sicherheit um jeden Preis?
Die Initiative „St. Pauli für Alle!“ ist ein breites Bündnis aus ca. 60 lokalen Akteuren (Nachbarschaft, Vereine, Gastronomiebetriebe, Kultur- und Sozialeinrichtungen), die sich gegen Diskriminierung, Vertreibung und polizeiliche Gewalt in St. Pauli engagieren. Sie kritisiert das Vorgehen scharf. Sie spricht von Einschüchterung, Diskriminierung und wachsender Angst – nicht nur unter Drogenkonsumenten, sondern auch in der Nachbarschaft insgesamt. Besonders Schwarze Menschen und People of Color berichten laut Steffen Jörg, Sozialarbeiter bei der GWA St. Pauli e.V, von systematischen Kontrollen und Stigmatisierung.
Der Kriminologe Tobias Singelnstein von der Uni Bochum schätzt, dass es jährlich mindestens 12.000 mutmaßlich rechtswidrige Polizeigewalt-Vorfälle gibt – das ist fünfmal mehr, als in offiziellen Statistiken auftauchen. Das Forschungsprojekt KviAPol der Goethe-Universität Frankfurt zeigt zudem, dass Menschen mit Migrationshintergrund und People of Color häufiger von polizeilicher Gewalt und Diskriminierung betroffen sind. Die Kritik der Initiative scheint also berechtigt und mit zahlen belegt.
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Die Hamburger Taskforce ähnelt in ihrem repressiven Ansatz der US-„Zero Tolerance“-Politik, die seit den 1980er Jahren rigoros jede Form von Drogenbesitz strafrechtlich verfolgte. Diese US-Politik führte zu massiven sozialen Problemen: überfüllte Gefängnisse, systemischer Rassismus und dauerhafte gesellschaftliche Ausgrenzung besonders von Schwarzen und Latino-Communities. Trotz einiger Lockerungen sind die Folgen bis heute spürbar.
Repression statt Prävention?
Wie in den USA könnte auch hier in Hamburg die Gefahr bestehen, dass die Taskforce den Fokus zu stark auf Kontrolle und Strafe legt, statt auf Prävention und soziale Unterstützung. Dadurch könnten bestehende Probleme verdrängt und das Misstrauen zwischen Polizei und Bevölkerung wachsen.
Der Hamburger Senat steht vor der Aufgabe, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, ohne die gesellschaftliche Vielfalt und den sozialen Frieden zu gefährden. Die harte Linie der Taskforce stößt in einem Viertel, das für Toleranz und Offenheit steht, auf Widerstand.
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Die „Taskforce Drogen“ soll Ordnung schaffen – doch sie riskiert, Vertrauen zu zerstören. Der Vergleich mit der Null-Toleranz-Politik in den USA zeigt, wie schnell gut gemeinte Sicherheitsmaßnahmen in dauerhafte gesellschaftliche Schäden umschlagen können.
Statt einseitiger Repression braucht es ein ausgewogenes Konzept, das Prävention, Teilhabe und soziale Angebote mit kluger Kontrolle verbindet. Die Frage ist nicht, ob man gegen Drogen vorgeht – sondern wie.