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Lübeck staunt über krassen Kellerfund – „Stark verkohlt und äußerlich rußgeschwärzt“

Lübeck staunt über krassen Kellerfund – „Stark verkohlt und äußerlich rußgeschwärzt“

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Lübeck: Restauratorin Sylvia Morgenstern reinigt mit Skalpell und Sauger eine 79 Jahre alte Nusstorte. Foto: DPA

Palmsonntag 1942 – der Luftangriff der Alliierten auf Lübeck geschieht. Er ist das Ausgangsszenario für einen sehr ungewöhnlichen archäologischen Fund, den die Abteilung Archäologie der Hansestadt zu Füßen der Marienkirche in der oberen Alfstraße bei Schachtsetzungen vor wenigen Wochen freilegte.

Denn es handelt sich um eine ganze Torte! Das fein mit Glasur, Randverzierungen und Spritzdekor versehene Backwerk aus Lübeck ist nahezu unversehrt und war sorgsam in Wachspapier eingeschlagen.

Erstaunlicher Fund in Lübeck

„Sie ist zwar stark verkohlt und äußerlich rußgeschwärzt“ sagt Lisa Renn, Ausgrabungsleiterin vor Ort, „doch durch die Hitze auf nur noch ein Drittel ihrer ursprünglichen Höhe zusammengeschrumpft“. Wie durch ein Wunder ist die Torte aber noch im Detail und in all ihren Facetten erkennbar.

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Durch den Luftangriff herabstürzende Bauelemente haben anscheinend einen Teil des Erdgeschosses des ehemaligen Hauses Alfstraße 18 in den Keller abrutschen lassen. Hier befand sich auch die Küche und in dieser auch die Torte, die – von Schuttteilen umgeben und abgedeckt – somit vor der Zerstörung geschützt wurde.

Es ist momentan das einzige archäologisch freilegte Feingebäck seiner Art in Norddeutschland und ein überaus bedeutsamer Fund, vor allem für die Hansestadt. Und er trat nicht allein auf: Neben der Torte lag ein ganzes Kaffeeservice, das sicherlich für die private Kaffeetafel am betreffenden Palmsonntag gedacht war.

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Das ist Lübeck:

  • Flächenmäßig ist Lübeck die größte Stadt Schleswig-Holsteins
  • Das geschlossene Stadtbild wurde 1987 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt
  • Die Hansestadt zählt 1800 denkmalgeschützte Gebäude
  • Lübeck zählt rund 220.000 Einwohner

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Lübeck: Torte wird im Labor untersucht

„Um den Geheimnissen der Torte noch weiter auf den Grund zu gehen, wurden Proben der Füllung und der Glasur im Labor untersucht“ so Dirk Rieger, Leiter der Archäologie. Die ersten Untersuchungen bestätigen, dass es sich um eine Nusstorte mit Krokant-Ummantelung handelt.

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In dem zerstörten Haus in Alfstraße wohnte unter anderem ein Lübecker Kaufmann namens Johann Hitze. Das geht aus alten Stadtbüchern hervor. Gut möglich, dass er oder seine Familie die Torte und das Kaffeeservice besaßen und für eine anstehende Festivität vorsahen, vielleicht sogar für eine Konfirmation, die klassischerweise an Palmsonntagen durchgeführt wurde und die am folgenden Tag hätte stattfinden können.

So stellt der Fund der Lübecker Torte eine ganz private, fast intime Verbindung zu dem in der Geschichte so einschneidenden Tag der Stadt dar.

Lübeck: Plan als Ausstellungsstück

„Es hat 79 Jahre gedauert, bis diese besonderen Zeitzeugen, die auch allein durch ihre eigene Vergänglichkeit und fragile Materialität den direkten Moment der Zerstörung widerspiegeln, erneut ans Licht gekommen sind und von denen niemand wusste, dass sie überhaupt existieren“ sagt Rieger.

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Die Torte wird nach ihrer Konservierung ein weiteres Highlight der Lübecker Archäologie werden und zudem ein Ausstellungstück, dass es sonst so nirgends gibt. (rg)