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Verschwundene Einwohner auf Norderney – jetzt geht die Insel vor Gericht

Wie kann eine Insel plötzlich hunderte Einwohner verlieren? Norderney steht vor einem Zensus-Rätsel mit potenziell teuren Folgen.

© imago images/Priller&Maug

Norderney

Wenn auf Norderney die Feriengäste anreisen und sich die Strände füllen, reibt sich das Rathaus verwundert die Augen – denn laut Zensus 2022 ist die Insel plötzlich deutlich leerer geworden. Über 700 Menschen sollen verschwunden sein, zumindest wenn man den amtlichen Zahlen Glauben schenkt.

Dabei zeigt das Melderegister ein ganz anderes Bild – dort sind 6.138 Einwohner gelistet, der Zensus kommt hingegen nur auf 5.367. Eine Diskrepanz von rund 13 Prozent, die der Norderney nicht nur Rätsel aufgibt, sondern auch die Sorge vor massiven finanziellen Einbußen schürt.

Norderney ist ratlos – Zahl ist folgenschwer

Die amtliche Einwohnerzahl ist weit mehr als eine Zahl in einer Tabelle – sie entscheidet darüber, wie viel Geld aus dem Landestopf fließt, wie groß der Stadtrat sein darf und ob sich der Bau neuer Kitas oder Schulen lohnt. Für Bürgermeister Frank Ulrichs ist klar: Die Zensus-Zahl ist nicht nur falsch, sondern auch folgenschwer. Die Stadt Norderney hat deshalb Klage eingereicht – wie 61 weitere Kommunen in Niedersachsen.

Im Rathaus von Norderney ist die Verunsicherung groß. Die Nachfrage nach Kitaplätzen und Wohnraum ist hoch wie eh und je – Hinweise auf einen echten Bevölkerungsschwund? Fehlanzeige. Umso unverständlicher scheint den Verantwortlichen die Methodik hinter dem Zensus: Ehrenamtliche Erhebungshelfer, eine besonders hohe Stichprobenquote auf den Inseln und keine Möglichkeit zur Qualitätskontrolle durch die Stadt selbst. Besonders für Touristen-Orte mit saisonalen Wohnverhältnissen sei das ein gravierendes Problem.

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Norderney zweifelt, Amt besteht auf Korrektheit

Das Landesamt für Statistik in Hannover hingegen bleibt dabei: Alles korrekt gelaufen. Die Zensus-Methodik sei wissenschaftlich geprüft, die Berechnungen zuverlässig. Differenzen zu den Melderegistern könnten zum Beispiel entstehen, wenn Menschen zwar gemeldet, aber während der Erhebung nicht erreichbar sind – etwa Eigentümer von Ferienwohnungen. Diese würden dann aus der Statistik gestrichen – auch wenn sie nicht weg sind, sondern nur kurz nicht ans Telefon gingen.

Dass sich dieses Erhebungsverfahren wie eine Blackbox anfühlt, kritisiert auch der Städte- und Gemeindebund. Es könne nicht sein, dass Dutzende Städte und Gemeinden plötzlich ihre Melderegister in Frage stellen müssen – wo doch die Zahlen seit Jahren solide geführt werden. Die Kritik: Der Zensus sei überreguliert, unübersichtlich und intransparent. Präsident Marco Trips fordert deshalb eine Reform: Volkszählungen sollten sich künftig wieder stärker auf kommunale Register stützen – statt auf statistische Hochrechnungen.


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Wie groß der finanzielle Schaden für betroffene Kommunen letztlich ausfällt, lässt sich derzeit noch nicht seriös sagen – doch die Sorge ist greifbar. In einer Zeit, in der jeder Euro zählt, könnte eine fehlerhafte Einwohnerzahl für Gemeinden wie Norderney weitreichende Folgen haben. Und so wächst der Druck auf die Landespolitik, die Stimmen aus den Kommunen ernst zu nehmen – bevor statistisch berechnete Geisterstädte Realität werden. (mit dpa)

Dieser Artikel wurde teils mit maschineller Unterstützung erstellt und vor der Veröffentlichung von der Redaktion sorgfältig geprüft.