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Hartz 4 und Bürgergeld: ARD-Talk über heißes Eisen Ausländeranteil – „Völlig anderer Kreis“

Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Der Anteil an Migranten unter Hartz-4-Beziehern ist gestiegen. Wie soll man darauf reagieren?

Hartz 4 und Bürgergeld: Viele Migranten beziehen Hilfe vom Staat.
© IMAGO / Jochen Eckel

Bundesrat lehnt Bürgergeld ab

Mit den Stimmen der unionsregierten Länder hat der Bundesrat das Bürgergeld-Gesetz der Ampel-Koalition abgelehnt. Nun soll der Vermittlungsausschuss eine Lösung finden. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hofft, dass das Bürgergeld trotz des Streits am 1. Januar kommt.

In der ARD-Talksendung „Presseclub“ kam ein brisantes Thema rund um Hartz 4 und Bürgergeld auf den Tisch. Am Sonntag (20. November) ging es um den Anteil der Ausländer unter den Beziehern der Sozialleistung. Dabei ging es auch um die Frage, was das für die Ausgestaltung des Bürgergeldes für Auswirkungen haben könnte.

Aus Sicht von „Presseclub“-Moderator Jörg Schönenborn ist das bisherige Bild des klassischen Hartz-4-Bezieher längst überholt.

Viel mehr Zuwanderer im Kreis der Hartz-4-Bezieher

Dieses Klischee vom faulen Langzeitarbeitslosen sei noch geprägt aus der Zeit der Einführung von Hartz 4. Das war eine Phase mit hoher Langzeitarbeitslosigkeit, so Schönenborn. „Klassische Hartz-4-Bezieher stammten aus Deutschland, waren hier aufgewachsen. Hatten entweder nach der Schule keinen Job gefunden oder ihn lange verloren. Dieser Kreis schrumpft seit Jahren deutlich“, führt er aus.

Noch 2015, also dem dem Jahr der Flüchtlingskrise, hätten rund drei Viertel der Hartz-4-Bezieher einen deutschen Pass gehabt. Heute liege der Anteil der Empfänger der Sozialleistung ohne deutsche Staatsangehörigkeit bei über 40 Prozent, so Schönenborn. „Stichwort Ukraine, Syrien. Es ist ein völlig anderer Kreis, der dazu gekommen ist. Der oft die deutsche Sprache nicht spricht, nicht integriert ist, keine eigene Wohnung hat“, zählt der ARD-Moderator die aktuelle Lage auf.

„Sie sind ja nicht dumm“: Nutzen Einwanderer bald Bürgergeld aus?

Birgit Marschall von der „Rheinischen Post“, die in Schönenborns „Presseclub“ zu Gast ist, greift das Thema gerne auf. Aus ihrer Sicht werde die migrantische Herkunft der Bezieher bei der Bürgergeld-Reform ausgeblendet. Deutschland sei unglaublich erfolgreich in der Arbeitsmarktpolitik. „Wenn wir nämlich diese Flüchtlingszahlen nicht hätten in der Statistik, dann hätten wir jetzt den Sockel an Langzeitarbeitslosigkeit enorm reduziert“, zeigt sich die Journalistin überzeugt.

Eine Gegenrede kommt sofort von „Zeit“-Redakteurin Luisa Thome. Sie merkt an, dass Deutschland auf Einwanderung dringend angewiesen sei. Sonst könnten wichtige Jobs gar nicht mehr besetzt werden.

Doch Marschall will auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen: Ob die Bürgergeld-Reform nicht auch falsche Anreize für mehr unerwünschte Einwanderung schaffen könnte. Die Menschen seien „ja nicht dumm“, stellt sie fest. Dann behauptet sie: Wenn sie mitbekommen, dass man das erste halbe Jahr ohne Sanktionen durchkommt, „dann sagen sie sich: ‚Ist ja prima, dann kann ich mich hier erstmal einrichten'“. Hier driftet die Diskussion ein wenig auf Stammtisch-Niveau ab. Es ist nämlich nicht korrekt, dass es in der bisherigen Fassung der Bürgergeld-Gesetzes gar keine Sanktionsoptionen in den ersten sechs Monaten gibt. Zwar soll es eine „Vertrauenszeit“ geben, jedoch können Leistungen beim wiederholten Versäumen von Jobcenter-Terminen auch in diesen sechs Monaten gekürzt werden.


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Sind Jobcenter noch die richtigen Anlaufstellen?

Am Ende bleibt jedoch eine Frage in der „Presseclub“-Diskussion offen: Sind die Jobcenter für die speziellen Bedürfnisse und Anforderungen vieler heutiger Bezieher überhaupt noch die richtige Anlaufstelle? Egal, ob die betroffenen Einwanderer Hartz 4 oder vielleicht ab Januar Bürgergeld bekommen. Schließlich geht es in diesem Milieu vor allem zunächst um durchaus herausfordernde Integrationsmaßnahmen in die deutsche Gesellschaft.