In der zurückliegenden Woche (KW 20) hat Bundeskanzler Friedrich Merz den deutschen Arbeitnehmern die Leviten gelesen. Sein Tenor: Die arbeitende Bevölkerung ist zu faul. Die Wirtschaft, die seit zwei Jahren in der Rezession hängt, könne man mit der derzeitigen Einstellung nicht aus dem Tief holen. Der Druck wächst.
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„Wir müssen in diesem Land wieder mehr arbeiten!“ So lautete die unmissverständliche Botschaft von Merz bei seiner ersten Regierungserklärung (14. Mai). Der CDU-Chef möchte „Wohlstand für alle“, allerdings aus eigener Kraft. „Wir können aus eigener Kraft heraus wieder zu einer Wachstumslokomotive werden, auf die die Welt mit Bewunderung schaut.“
Merz fordert mehr Fleiß
Aktuell ist man eher eine Ente mit gebrochener Hinterachse als eine Lokomotive. Die Wirtschaft ist 2024 abermals eingebrochen, das Bruttoinlandsprodukt ist um 0,2 Prozent geschrumpft. Das Erstarken soll laut Merz gelingen, indem sich die Arbeitnehmer am Riemen reißen und zusätzlich anpacken.
„Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten. Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können.“
Friedrich Merz, 14. Mai 2025
Die Regierung hat bereits angekündigt, das Arbeitszeitmodell anpassen zu wollen, um die tägliche Höchstarbeitszeit hochschrauben zu können. Im Raum stehen zudem Anreiz-Modelle wie die steuerfreie Überstunde. Doch hat Merz mit seiner forschen Ansage überhaupt recht? Sind die Deutschen derart faul?
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„Watson“ hat den Faktencheck gemacht und die Statistiken sprechen eigentlich gegen ihn:
- Im Jahr 2023 wurden 55 Milliarden Arbeitsstunden geleistet – Rekord.
- Die Arbeitslosenquote sank von 11,7 Prozent (2005) auf 6,4 Prozent (2025)
- Im Jahr 2023 wurden 1,3 Milliarden Überstunden geleistet, 775 Millionen davon waren unbezahlt
- Im Jahr 2023 hatten 1,9 Millionen Menschen einen Zweitjob
Die Auffassung von Merz lässt sich durch den EU-Vergleich dennoch rechtfertigen. Die Durchschnittsarbeitszeit der Union sank innerhalb von zehn Jahren um exakt eine Stunde pro Woche. Im Jahr 2024 arbeitete der Europäer im Mittel nur noch 36 Stunden pro Woche. Das geht aus einer Erhebung des Statistikamts Eurostat in Luxemburg hervor.
Deutschland ist am unteren Ende der Tabelle zu finden. Während die Arbeitszeit im Jahr 2014 noch bei 35,7 Stunden lag, waren es im letzten Jahr lediglich 33,9 Wochenstunden. Noch weniger arbeiten nur die Niederländer (32,1 Stunden). Das Bruttoinlandsprodukt unseres Nachbarn ist im letzten Jahr jedoch um einen Prozentpunkt gestiegen.