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Hamburg: FDP-Nachwuchshoffnung Ria Schröder will mehr Frauen in die Politik holen – mit einer besonderen Idee

Hamburg: FDP-Nachwuchshoffnung Ria Schröder will mehr Frauen in die Politik holen – mit einer besonderen Idee

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Ria Schröder 2019 als Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen auf dem 70. FDP-Bundesparteitag Foto: picture alliance/dpa | Britta Pedersen

Ria Schröder, 28, gilt als Nachwuchshoffnung der FDP – nicht nur in Hamburg. Sie war Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, seit 2019 ist sie Beisitzerin im Bundesvorstand der FDP. Ob sie für den Bundestag kandidieren wird, dazu äußert sich Ria Schröder aktuell noch nicht.

Dafür hat sie mit MOIN.DE darüber gesprochen, was in ihren Augen gerade schiefläuft in der Politik in Hamburg und was bei der Bürgerschaftswahl 2020 für ihre eigene Partei schieflief. Ria Schröder bekam das persönlich zu spüren, als sie plötzlich auf der Straße beschimpft wurde. Eines ihrer Anliegen: Mehr Frauen für die Politik gewinnen. Dafür hat sie eine besondere Idee.

Hamburg: Ria Schröder im Interview mit MOIN.DE

MOIN.DE: Lilli Fischer und Nora Zabel, beides Nachwuchshoffnungen der CDU aus Thüringen und MV, haben Sie kürzlich als Vorbild bezeichnet. Wie finden Sie das?

Ria Schröder: Das schmeichelt mir. Es zeigt, wie wichtig es ist, dass sich junge Frauen politisch engagieren, um anderen Mut zu machen. Die Rahmenbedingungen in der Politik müssen sich ändern. In der FDP sind wir da auf einem guten Weg.

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Gerade in der FDP ist der Frauenanteil in den vergangenen Jahren allerdings zurückgegangen.

Es hat sich schon vieles getan, aber wir müssen, wie andere Parteien auch, weiter an der Sichtbarkeit von Frauen arbeiten. Frauen müssen das Gefühl bekommen, dass ihre Stimme zählt.

Wie sieht das aus, wenn Frauen in der Politik das Gefühl vermittelt wird, ihre Stimme wäre weniger wert?

Wenn Frauen in Diskussionen immer wieder ansetzen wollen, aber unterbrochen werden. Oder wenn eine junge Frau auf eine Veranstaltung kommt, an der sonst nur Männer teilnehmen, und sie dann gefragt wird, ob sie sich verlaufen habe. Frauen müssen ihre Kompetenz immer stärker unter Beweis stellen als Männer. Es wird ein anderer Maßstab gesetzt. Vom Kreisverband vor Ort bis hinein in die Bundesregierung. Ein Beispiel ist Andreas Scheuer. Dass er noch im Amt ist, ist ein Skandal. Wäre Scheuer eine Frau – sie wäre längst abgesägt worden.

Ist die Frauenquote eine Lösung?

Die Frauenquote ist eine Brechstange, nicht mehr und nicht weniger. Wir brauchen aber nachhaltige Veränderungen einer jahrzehntelang eingeübten politischen und gesellschaftlichen Kultur.

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Das ist Ria Schröder:

  • Ria Schröder, Jahrgang 1992, wuchs im Hunsrück in Rheinland-Pfalz auf
  • Sie kam zum Studium der Rechtswissenschaften nach Hamburg
  • Nach ihrem Abschluss 2016 arbeitete sie in einer Hamburger Kanzlei und studierte Italianistik und Kunstgeschichte
  • Von 2018 bis 2020 war sie Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen
  • Seit 2019 ist sie Beisitzerin im Bundesvorstand der FDP
  • 2017 verfehlte sie den Einzug in den Bundestag, 2020 in die Hamburger Bürgerschaft
  • Gerade macht sie ihr Rechtsreferendariat

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Und wie kann das Ihrer Ansicht nach gelingen?

Wir legen in der FDP viel Wert auf Leistung, oft zählt aber dann doch woher man kommt oder wie lange man Mitglied ist. Das sollten wir ändern. Ich fände eine Art Punktesystem für verschiedene Kompetenzen gut. So würden Frauen sich öfter durchsetzen.

Wofür würden Sie in diesem System Punkte erhalten?

Als Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen habe ich Führungserfahrung gesammelt. In aller Bescheidenheit würde ich sagen, dass ich zu den bekanntesten Gesichtern der FDP gehöre und gerade auch jüngere Menschen und Frauen anspreche. Besonders bei Themen wie Bildung und Digitalisierung bringe ich neue Ideen in der programmatischen Arbeit ein.

Sie sagen „in aller Bescheidenheit“. Hätte ein Mann gerade selbstbewusster geantwortet?

Gut möglich. Was bei Männern als selbstbewusst gilt, wird Frauen schnell als arrogant ausgelegt. Das darf nicht sein.

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Sie haben die Digitalisierung angesprochen. Datenschutz gehört zu Ihren Steckenpferden. Wie steht es um diese Themen in Deutschland?

Ich bin unheimlich unzufrieden. Der Datenschutz muss so oft als Sündenbock herhalten für Versäumnisse in der Digitalisierung. Ich finde beim Thema Bildung beispielsweise, dass der Unterricht in der Abwägung ganz klar vorgeht. Es ist nicht ideal, wenn Schulen mit Zoom oder Microsoft Teams arbeiten, weil die Daten dann in die USA wandern, aber es ist viel schlimmer, wenn monatelang kein Unterricht stattfinden kann. Auch bei den Impfungen und bei der Corona-App könnten wir so viel mehr erreichen durch Digitalisierung. Dann könnten wir schon jetzt viel mehr Freiheiten haben. Das Problem ist ja, dass die Gesundheitsämter die Kontakte gerade nicht nachverfolgen können.

Könnte eine Lösung eine App sein, die die Bewegungen der Nutzer verfolgt? Wäre das noch vertretbar mit Persönlichkeitsrechten und Datenschutz?

Das ist weder sinnvoll noch wünschenswert und würde die große Akzeptanz der App gefährden. Erstmal sollten alle Gesundheitsämter die Software Sormas zur Kontaktverfolgung nicht nur installieren, sondern auch nutzen. Potenzial sehe ich auch bei der Terminvergabe für das Impfen – es kann nicht sein, dass Impfdosen ungenutzt rumliegen, während etwa Menschen mit chronischen Krankheiten oder Behinderung in der Warteschleife hängen.

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Was halten Sie von der Corona-Politik des Senats?

Die Einschränkungen gehen zu weit und teilweise auch die Polizei. Ich denke an den Einsatz im Jenischpark, wo ein junger Mann verfolgt wurde, weil er die Abstandsregeln missachtet hat. Oder als das Wetter am Wochenende so schön war: Warum konnte da die Gastronomie nicht draußen wieder bestuhlen? Der Regierung fiel aber nichts anders ein, als die Maskenpflicht zu verschärfen und den Leuten auch noch den Spaziergang zu vermiesen. Das ist ein Zeichen absoluter Hilflosigkeit. Ich finde das besorgniserregend.

Wo sehen Sie in Hamburg die größten Baustellen?

Bei der Digitalisierung. Das bezieht sich besonders auf die Schulen und die Behörden. Da könnte man so vieles online erledigen, ohne aufs Amt zu müssen.

Reizt es Sie, die Stadt weiterhin im Landesvorstand Ihrer Partei mitzuprägen? Ende April ist Wahl.

Ich liebe Hamburg und möchte die Stadt auf jeden Fall mitprägen. Daher werde ich auch wieder für den Vorstand kandidieren.

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Aktuell bildet die FDP in Hamburg nicht einmal eine eigene Fraktion. Die Wahl 2020 lief miserabel für die Partei. Wie erklären Sie sich das?

Das hatte viel mit der Wahl von Thomas Kemmerich in Thüringen zu tun. Ein sehr schwerer Fehler aus meiner Sicht. Er hat einer grundlegenden Überzeugung der FDP widersprochen: Dass wir nicht mit der rechtspopulistischen und völkischen AfD zusammenarbeiten. Nie und in keiner Weise. Das haben wir in Hamburg im Sommer auch nochmals mit einem Beschluss bekräftigt. Es war erschreckend zu sehen, wie eine einzige Person einer ganzen Partei schaden kann.

Haben Sie das damals persönlich zu spüren bekommen?

Ja, leider. Wahlplakate von mir in Hamburg wurden mit dem Wort „Nazi“ beschmiert. Ich wurde auf der Straße beschimpft. Dabei hatte ich mit der Wahl von Kemmerich überhaupt nichts zu tun.

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Sie sind bei Social Media aktiv, haben auf Twitter mehr als 14.000 Follower. Anderen jungen Politikerinnen begegnet auf der Plattform viel Hass. Wie ist das bei Ihnen?

Man darf nie vergessen: Twitter hat mit der Realität gar nichts zu tun. Twitter ist ein Moloch. Ich folge dort interessanten Leuten und erhalte Informationen. Wenn ich etwas gut finde, kommentiere ich das. Aber es gibt auch viel Hass und Tage, an denen ich Twitter gar nicht öffne, weil ich mir das nicht antun möchte.

Nach dem Juraexamen haben Sie angefangen, Kunstgeschichte und Italienisch zu studieren. Warum?

Nach dem Examen hatte ich erst einmal gar keine Lust mehr auf Jura. Das geht vielen so. Und Kunst hat mich schon immer fasziniert. Ich habe Kunstgeschichte mehrere Semester sehr engagiert studiert. Ich möchte das später gerne verbinden und im Kunstrecht arbeiten. Es ist wichtig, neben der Politik noch etwas anderes zu machen. Das haben mir auch die Wahlen 2013 und 2020 gezeigt, als die FDP nicht genügend Menschen überzeugen konnte. Es ist wichtig, auf dem Boden zu bleiben und neben der Politik noch etwas anderes zu machen.

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Job in einer Kanzlei, nebenbei Studium und Politik. Wo nehmen Sie die Energie dafür her?

Ich ziehe ganz viel Energie aus der Zeit mit Familie und Freunden, aus Reisen und Sport. Ich fahre gern Snowboard. Das ist gerade nicht möglich, Reisen auch nicht. Auch Theater und Konzerte fehlen mir wirklich sehr. Manchmal fahren wir für einen Tag ans Meer, das geht ja zum Glück von Hamburg aus.

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Worauf freuen Sie am meisten, wenn die Pandemie vorbei ist?

Meine Großmutter zu sehen. Sie ist gesundheitlich angeschlagen. Wir hatten jetzt über ein Jahr nur über FaceTime Kontakt. Ich freue mich sehr, Sie wieder in den Arm nehmen zu können.