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Er war obdachlos – jetzt hat er seine Vergangenheit zum Beruf gemacht: „Möchte, dass die Leute verstehen“

Dieser Hamburger hat seine Vergangenheit überwunden und zum Beruf gemacht. Jetzt vermittelt er eine wichtige Botschaft.

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Hamburg: Wetten, das hast du über die Stadt noch nicht gewusst

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Wer mit Uwe durch Hamburg geht, sieht die Stadt mit anderen Augen. Seit März bietet der ehemalige Obdachlose Stadtführungen im Auftrag von Hinz & Kunzt an. Jede Woche führt er Schulklassen, Seniorengruppen oder Unternehmen zu Orten, die im Alltag kaum auffallen, für viele wohnungslose Menschen aber zentrale Anlaufstellen sind. Mit seiner Erfahrung zeigt er, wie Obdachlosigkeit in einer Großstadt wie Hamburg aussieht – und wie schnell Menschen durch schwierige Umstände auf der Straße landen können.

Die Route führt an Hamburger Einrichtungen wie dem „Herz As“ vorbei, einem Tagesaufenthalt, der für viele obdachlose Menschen überlebenswichtig ist. „Das ‚Herz As‘ war meine Hauptanlaufstelle“, erzählt auch Uwe. Er weiß, wie sich der Alltag auf der Straße anfühlt – und warum Orte wie das im Münzviertel für viele so bedeutend sind. Ziel der Touren ist es, Aufmerksamkeit zu schaffen: für Lebensrealitäten, die oft ignoriert werden, und für Menschen, die allzu schnell übersehen werden.

Hamburg: „Das sind gute Menschen, die euch die Zeitungen bringen“

Er begegnet auf seinen Touren unterschiedlichsten Fragen – viele ernsthaft, einige auch irritierend. Nicht jede Begegnung mit Gruppen ist angenehm. Es gibt auch unsensible Fragen: „Haben Obdachlose auch Sex?“, oder: „Depressionen – ist das nicht einfach nur Faulheit?“ „Wie kann man so eine blöde Frage stellen?“, sagt er. Trotzdem führt er die Gruppen weiter, beantwortet auch unbequeme Fragen – immer dann, wenn das Interesse aufrichtig ist. „Wenn es eine interessierte Gruppe ist, wo ich mich wohlfühle, dann erzähle ich auch schonungslos, wie es bei mir damals dazu gekommen ist.“

Neben den Stadtführungen arbeitet Uwe auch beim Projekt „Spende dein Pfand“ am Flughafen. Die Touren sind trotzdem mittlerweile präsenter in seinem Alltag – auch, weil sie einen Perspektivwechsel ermöglichen. „Ich möchte, dass die Leute verstehen, dass es völlig in Ordnung ist, wenn die Leute auf der Straße Zeitungen verkaufen – das ist kein Gebettel oder sonstiges. Das wollen wir auch vermitteln.“ Insgesamt arbeiten rund 470 aktive Verkäufer bei Hinz & Kunzt in Hamburg.

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Hamburg: Aufklärung durch persönliche Perspektive

Uwe betont, wie wichtig es ist, dass solche Touren von Menschen geführt werden, die selbst Erfahrung mit Wohnungslosigkeit haben: „Das ist Öffentlichkeitsarbeit mit ganz viel Persönlichem, da vermischt sich zwangsläufig die Arbeit mit eigenen Geschichten.“ Der respektvolle Austausch steht dabei immer im Vordergrund – nicht Schuld oder Betroffenheit, sondern ein besseres Verständnis für Strukturen und Lebensumstände.


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Ob Kinder, Erwachsene oder Senioren – die Führungen sprechen alle Altersgruppen an. Uwe hat schon viele positive Rückmeldungen bekommen. Dass die Touren nicht nur informieren, sondern auch etwas bewegen können, merkt er durch das geweckte Interesse regelmäßig. Und auch für ihn selbst sind sie bedeutsam: „Ich mache das auch gerne.“ Seine Arbeit ist damit nicht nur ein Job, sondern ein Beitrag zur Aufklärung – und zur Sichtbarkeit von Menschen, die sonst kaum Gehör finden.