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Aida und „Mein Schiff“: Wirbel um Arbeitsbedingungen an Bord – Experte redet Klartext

Ex-Mitarbeiter schießen gegen Aida und „Mein Schiff“ und erheben schwere Vorwürfe gegen die Arbeit an Bord. Ein Kreuzfahrt-Experte ordnet ein.

Aida und "Mein Schiff"
© imago images / penofoto

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Wenn Urlauber an Aida und an „Mein Schiff“ denken, läuft vor ihrem geistigen Auge wahrscheinlich direkt ein Film mit Pools, Sonne, Strand und purer Entspannung ab. Doch für viele Crew-Mitglieder ist es anders: Für sie bedeutet die Arbeit an Bord von Kreuzfahrt-Schiffen oft Stress und eine enorme körperliche Belastung.

MOIN.DE sprach mit mehreren Ex-Crew-Mitgliedern und warf einen Blick hinter den Kulissen bei Aida und „Mein Schiff“. Die Ergebnisse sind erschreckend. Ein Kreuzfahrt-Experte richtet deutliche Worte an die Reedereien.

Aida und „Mein Schiff“: Ex-Crew-Mitglieder mit harten Worten

In den vergangenen Wochen und Monaten gingen etliche Kreuzfahrt-Liebhaber und Influencer an Bord der „Aida“ und „Mein Schiff“, um dort zu arbeiten. Viele von ihnen dachten, dort eine schöne Zeit als Crew-Mitglieder zu verbringen. Doch dann folgte der Schock: Die Realität war anders als die Erwartungen. Manche von ihnen kündigten sogar ihren Job nach nur ein paar Tagen und zogen ein hartes Fazit über die Arbeit an Bord (wir berichteten).

MOIN.DE sprach daher kürzlich mit mehreren ehemaligen Crew-Mitgliedern, die an Bord verschiedene Tätigkeiten ausführten. Der Tenor: Die Lage sei fast überall gleich – viel Arbeit, kaum Freizeit und Privatsphäre. „Das Image: Außen hui – innen pfui. Absolute Katastrophe und weitab von jeglicher Realität, was Aida den Bewerbern und Crew-Mitgliedern anpreist und vorgibt zu sein und was man angeblich an Benefit erhält”, meint ein ehemaliges Crew-Mitglied.

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An Bord der Aida und „Mein Schiff“ müssten Mitarbeiter bis zu zwölf oder 14 Stunden an einem Tag arbeiten. „An Ein- und Ausschiffungstagen begann die Schicht oft morgens um sechs Uhr und endete um 23 Uhr oder Mitternacht. Mit einer kurzen, vorgegebenen Pause zwischendurch, in welcher man auch essen gehen musste, da diese Essenspause nicht separat fiel, sondern fast immer in die eigentliche Pausenzeit. Ein eigenes Leben hatte man nicht mehr. Man hat existiert und funktioniert, wie ein Roboter. Eine 24/7-Überwachung war völlig normal, egal wo man steht, geht und sich gerade befindet – außer in der Kabine“, packt ein Ex-Crew-Mitglied aus.

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Als Crew-Mitglied habe man daher kaum ein Privatleben an Bord, zumal man die kleine Kabine mit einem anderen Crew-Mitglied teile. Außerdem sollen die Mitarbeiter oft „viele Überstunden wegen „Personalmangel machen“. Die Löhne seien auch „zu wenig“. Einige ehemalige Mitarbeiter von Aida und „Mein Schiff“ zeigten sich im Gespräch mit unserer Redaktion daher sehr enttäuscht von den „harten Arbeitsbedingungen“ an Bord und beschrieben sie sogar mit „moderner Sklavenarbeit“, weil sie das Gefühl hatten, dass sie auf dem Schiff nur existierten, um zu arbeiten.

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Doch wie sehen Kreuzfahrt-Experten die Lage? Prof. Dr. Alexis Papathanassis, Professor für den Studiengang Cruise Management an der Hochschule Bremerhaven, weist den Vorwurf der „Sklavenarbeit“ zurück, weil kein Crew-Mitglied gezwungen werde, bei Aida oder „Mein Schiff“ zu arbeiten. Aber dass die Arbeit in der Kreuzfahrt-Branche sehr herausfordernd ist und dass die Löhne nicht attraktiv seien, ist dem Experten klar.

Tui Cruises widerspricht den Vorwürfen

„Tui Cruises“, zu dem die „Mein Schiff“-Flotte gehört, widerspricht den Vorwürfen auf Anfrage von MOIN.DE entschieden: „Die Arbeitsbedingungen für die Besatzung sind durch multinationale Abkommen wie der „Maritime
Labour Convention“ (MLC) geregelt, die durch den jeweiligen Arbeitgeber mit der verantwortlichen Gewerkschaft in individuellen Tarifverträgen wie dem Collective Bargaining Agreement (CBA) konkretisiert werden. Die Verträge regeln nicht nur Gehalt, sondern auch Vertragslänge, Arbeitszeit, Umgang mit Überstunden und Gewährung von Sachleistungen wie Kost und Logis, kostenfreie – An- und Abreise zum Einsatzort und Versicherungen“, teilt eine Pressesprecherin von Tui Cruises mit.

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„Die Wiederholerquote der Besatzung liegt bei 80 Prozent, das heißt, dass die überwiegende Mehrheit der Besatzung nach dem ersten Einsatz wieder an Bord der ,Mein Schiff‘ Flotte zurückkehrt.“

„Mein Schiff“ soll zufriedene Arbeitnehmer haben

Im Hotelbereich, wo der Großteil der Besatzung ist an Bord der „Mein Schiff“-Flotte beschäftigt sei, arbeite die Crew im Schnitt vier Jahre und mehr an Bord, „teilweise über Generationen. Das spricht für eine gute Atmosphäre an Bord. Wir selbst haben das größte Interesse, dass die Crew zufrieden ist. Denn nur mit zufriedener Crew haben wir auch zufriedene Gäste“, heißt es von Tui Cruises.

Aida hingegen ließ eine Anfrage unserer Redaktion auf die genannten Kritikpunkte unbeantwortet.