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Camping: Skurriles Wohnmobil raubt jedem den Atem – doch dahinter steckt eine tieftraurige Geschichte

Ein ungewöhnliches Camping-Wohnmobil sorgt für Aufsehen. Doch dahinter steckt eine bewegende Geschichte und eine herzergreifende Aktion.

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© IMAGO / Privat

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„Verrückt“, „Der Oberhammer“ und „Gigantisch“ waren einige der vielen Reaktionen auf ein äußerst ungewöhnliches Wohnmobil einer Familie aus Chemnitz das zahlreiche Camping-Liebhaber sprachlos macht.

Doch hinter dem skurrilem Camper steckt eine bewegende Geschichte und eine herzergreifende Aktion. Im Gespräch mit MOIN.DE berichtet der Familienvater Hartmut fließend von der Mission, dem Ziel und dem Verlauf der Aktion zusammen mit seiner Frau Jana und den drei Kindern.

Camping: Dieses Wohnmobil sorgt nicht nur für Staunen

Die Begeisterung für Camping hat in Deutschland in den letzten Jahren zugenommen, was zu einem wachsenden Markt und vielfältigen Möglichkeiten im Bereich Wohnmobile und Wohnwagen führt.

Im Gegensatz zu den klassischen Camping-Wohnwagen und Wohnmobil hatte Hartmut (54) eine außergewöhnliche Idee: Er entschied sich dafür, einen alten amerikanischen Schulbus aus den USA zu holen und ihn umzubauen, um der gesamten Familie ein neues Zuhause zu schaffen. Der Umbau dauerte knapp zwei Jahre und seit April 2023 ist die Familie mit dem umgestalteten Känguru-Bus unterwegs, der einen Anhänger mit einem PKW hinter sich herzieht.

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Der große, gelbe Bus sorgt überall für Aufsehen, sei es, wenn die Familie unterwegs ist oder auf einem Camping-Platz steht. Doch dahinter steckt mehr, als man denkt. „Wir haben uns für diesen Bus entschieden und ihn so auffällig gestaltet, um Aufmerksamkeit für unsere Pflegekinder und das Thema Pflegefamilien im Allgemeinen zu schaffen“, erklärt der Familienvater Hartmut gegenüber MOIN.DE.

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Die Känguru-Familie besteht aus Jana und Hartmut sowie den drei Kindern Johanna (15), Victoria (10) und Patricia (10). Foto: Privat

Durch das ungewöhnliche Wohnmobil kommen Hartmut und seine Frau Jana mit anderen Camping-Liebhabern ins Gespräch. „Viele interessieren sich für den Känguru-Bus und fragen, ob sie einen Blick hineinwerfen dürfen. Wir haben an Bord alles für fünf Personen ausgestattet, inklusive Küche, Kinderzimmer und Badezimmer“, berichtet der Camping-Enthusiast.

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Im Kinderzimmer schmücken Lichterketten zusammen mit Familienfotos die Wände. Ein Bücherregal und Kuscheltiere haben ebenfalls ihren Platz im Kinderbereich gefunden. Doch gibt es Nachteile für das Leben im Känguru-Bus auf Dauer? Hartmut antwortet: „Wir sehen keine Nachteile, sondern nur Vorteile. Man muss sich nicht um viele Dinge kümmern, wie es in einer Wohnung oder einem Haus der Fall wäre. Wir sind nun fast ein Jahr lang unterwegs, und bisher vermissen wir nichts aus unserem früheren Leben. Auch die Kinder empfinden es so. Aktuell stehen wir am Meer und genießen 20 Grad Sonnenschein, während in Deutschland Schnee-Chaos herrscht.“

Camping-Liebhaber packt aus: „Kein Zurück mehr“

Die Familie habe keine Wohnung mehr und habe alles in Deutschland aufgegeben, bevor alle fünf in den Bus eingezogen sind. „Es gibt kein Zurück mehr. Wir sind mit den Kindern auf Reisen gegangen, um ihnen eine Chance zu geben, die sie sonst nicht gehabt hätten und damit sie ihre Stabilität finden können. Es handelt sich um Kinder, die aus ihren Familien genommen wurden und lange Zeit in Kinderheimen gelebt haben. Durch das Reisen möchten wir ihnen eine schöne Zeit schenken.“

Der Känguru-Bus sei nur ein Aufhänger, das eigentliche Projekt seien die Kinder. „Sie haben schlimme Zeiten bei ihren Familien erlebt, wo sie geboren wurden. Dort haben sie über Jahre hinweg Misshandlung, Hunger und Gewalt erfahren. Diese Kinder sind traumatisiert. Unser Ziel ist es ihnen durch Reisen, viele Abenteuer und Erlebnisse zu helfen, ihre Traumata zu verarbeiten“, erklärt der Camping-Liebhaber.

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Camping: Beidseitig sind auf der gesamten Länge vom Bus elektrische Markisen angebracht. So hat die Familie Schutz vor der Sonne im Sommer. Foto: Privat

Camping: Das ist das Ziel der Känguru-Familie

Der 54-Jährige erzählt weiter: „In Deutschland gibt es viele Pflegekinder, aber leider viel zu wenig Pflegefamilien. Deshalb wachsen viele von ihnen in Kinderheimen auf. Dies ist ein Thema, bei dem oft weggeschaut wird, weil es nicht leicht anzusehen ist. Viele Menschen wissen, dass es viele Pflegekinder gibt, aber nur wenige verstehen wirklich, welches Leid dahinter steckt. Oft haben die Kinder nicht genug Unterstützung. Es gibt immer einen Mangel an Pflegeeltern, wodurch die Kinder in Heimen bleiben und mit anderen aufwachsen, die möglicherweise Entwicklungsstörungen haben.“

Dies führt dazu, dass sie als „Sozialfälle“ betrachtet werden und aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. „Letztendlich bekommen diese Kinder später auch eigene Kinder, und diese könnten ebenfalls vor sozialen Herausforderungen und möglicherweise strafrechtlichen Problemen stehen. Um diese Zahl zu verringern, möchten wir nun die Aufmerksamkeit auf das Thema lenken.“

Durch das Reisen gewinnen die Kinder an Weltoffenheit. „Egal, wohin wir kommen, knüpfen sie Kontakte und verstehen sich gut mit anderen Kindern“, erklärt der Camping-Liebhaber. Die Eltern arbeiten online und können von überall aus tätig sein. Auch die Kinder nehmen am Online-Unterricht teil und erhalten Unterstützung beim Lernen von Hartmut und Jana.

Belgien, Spanien und Frankreich waren die ersten Stationen. Über die Balkanroute ist die Familie nach Griechenland gereist und verweilt dort seit Oktober. „Wir können so lange bleiben, wie wir möchten.“ Die Känguru-Familie unternimmt Tagesausflüge und erkundet mit dem Auto die Geschichte und Kultur des Landes. „Wir besuchen viele Museen und Ausstellungen.“


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Nicht nur das äußere Erscheinungsbild des Känguru-Busses trägt eine tiefgründige Bedeutung, sondern auch sein Name. „Für uns steht der Begriff ‚Känguru-Bus‘ als Symbol dafür, dass wir fremde Kinder in unserem Beutel willkommen geheißen haben und nun gemeinsam mit ihnen leben. Unser Ziel ist es, das Projekt zu erweitern und Seminare für Pflegeeltern anzubieten. Möglicherweise werden wir eine Organisation für Pflegekinder gründen“, erzählt der Camping-Fan und Familienvater im Gespräch mit MOIN.DE.


Die Känguru-Familie betreibt eine Webseite und ist auf verschiedenen Social-Media-Kanälen aktiv. Hier kann jeder Camping-Enthusiast sie unterstützen und viel über ihren Alltag erfahren.