Bunte Kleider, laute Bässe. Schaufenster und Wagen, die in Regenbogenfarben geschmückt sind, tanzende Menschen auf den Straßen. Der CSD zieht sich jährlich durch viele Städte in Deutschland. Queere Menschen kommen von überall, um für ihre Rechte einzustehen und ihre Vielfalt zu feiern. Doch das bunte Treiben wird immer mehr überschattet.
Nicht nur der CSD, auch der Pride Month Juni war in großen Teilen der Bevölkerung ein gern gesehener Anlass zum Feiern. Firmen zogen gerne mit, machten Umsatz mit Pride-Sneakern und Werbeclips mit diversem Klientel. Das ändert sich aber zunehmend. Plötzlich wenden sich immer mehr Firmen von queeren Symbolen ab, Politiker finden sie zu politisch und es kommt immer häufiger zu rechten Angriffen auf Kundgebungen der Community.
Schauspielende kämpfen für den CSD
Darüber spricht unsere Redaktion mit #ActOut, einem Zusammenschluss queerer Schauspieler:innen*, der an den Begriff „Coming Out“ anlehnt. Zusammen haben sie ein Manifest ausgearbeitet, das mehr Diversität, Sichtbarkeit und Gleichberechtigung von queeren Menschen in Film, Fernsehen und auf der Bühne fordert. In etwa 416 Schauspieler:innen stehen bislang mit ihrer Stimme dafür ein.
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„So entstehen auch Identifikationsfiguren, und die sind unfassbar wichtig“, erklärt Adrian Djokic, Mitglied des CSD-Projekts von #ActOut unserer Redaktion. Um Identifikationspotenzial und Sichtbarkeit geht es auch bei der queeren Demonstration Christopher Street Day, kurz dem CSD. Das Engagement rund um solche Veranstaltungen wird jedoch immer schwieriger. Bei der Planung zur Teilnahme am CSD fällt auf, dass Firmen, die in den letzten Jahren sehr begeistert schienen, sich mit Regenbogenflaggen schmückten, nun weniger engagiert in die Pride-Bewegung scheinen. Das liegt vor allem am politischen Klima, national und global.
Djokic erklärt: „Es ist nicht ungewöhnlich, dass Firmen so agieren. Ihre Entscheidungen müssen der Wirtschaft zuträglich sein und sie müssen Profit machen können. Wenn sie merken, dass Diversität ‚trendy‘ ist, ist es so gesehen verständlich, dass sie da mitgehen. Das Problem daran ist nicht grundsätzlich, dass Unternehmen Regenbogenflaggen zeigen, obwohl es ihnen nicht wirklich um queere Rechte geht. Immerhin schaffen sie damit Sichtbarkeit. Das Problem ist, dass sie jetzt damit aufhören.“
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„Wenn Firmen uns keine Sichtbarkeit mehr schenken, weil es politisch nicht gewollt ist und sie somit nur nach ihrem Profit agieren, lassen sie uns gewissermaßen im Stich. Das spürt man dadurch, dass die CSDs weniger Förderung bekommen.“ Nicht zuletzt durch Trumps Maßnahmen gegen Gleichstellung ziehen sich Firmen wie McDonald’s, Amazon und Nike ihre queeren Kampagnen zurück.
Der CSD ist die Wurzel der politischen Bewegung
#ActOut ist zum ersten Mal mit eigenem Wagen beim CSD dabei, stellt es aber fest, dass sich das politische Klima auf die Spendensuche auswirkt. „Der CSD an sich ist die Wurzel der politischen Bewegung für Sichtbarkeit und den politischen Kampf für Gleichberechtigung. Wenn solche Veranstaltungen weniger Gelder und Sichtbarkeit bekommen, dann betrifft es uns nicht nur finanziell, sondern auch in Form von Akzeptanz in der allgemeinen Gesellschaft. Das ist ein sehr wichtiges Zeichen für uns.“
„Wir leben jetzt in einer Zeit, in der Hasskriminalität auf solche Veranstaltungen immer größer wird. Im brandenburgischen Bad Freienwalde gab es einen Angriff auf das Vielfaltsfest. Wir sehen also, dass Menschen, die sich im ländlichen Raum für Gleichberechtigungsrechte einsetzen, plötzlich Gewalt erfahren“, berichtet Djokic.
„In Bezug auf Trump und Amerika sehen wir schon ganz klar, dass Transrechte eingeschränkt werden, dass dadurch die Gewalt zunimmt. Dass Akzeptanz verloren geht. Wir müssen darum bangen, dass es auch bei uns in diese Richtung geht. Seit die AfD so stark ist, schwingt eine gewisse Grundangst mit. Die Angst, plötzlich um seine Daseinsberechtigung kämpfen zu müssen. Sie war früher schon da, ist aber existenzieller geworden.“
„Wenn dann zum Beispiel Frau Klöckner sagt, man müsse das Neutralitätsgebot wahren, fühlt man sich in seiner Identität angegriffen. Denn dann werden unsere Grundrechte – so wie wir sind, wie wir empfinden – plötzlich nicht mehr geschützt. Wenn unsere Existenz und unsere Freiheit nicht als politisch neutral gilt, ist offensichtlich etwas falsch gelaufen.“
„Ich persönlich habe zum Glück noch nie physische Angriffe wegen meiner sexuellen Identität erlebt – zumindest nicht direkt. Klar, es gab Mobbing in der Schule. Aber wenn ich die Nachrichten lese und sehe, wie viele meiner Gleichgesinnten bedroht, zusammengeschlagen oder sogar ermordet werden, wird mir Angst und Bange. Deshalb wünsche ich mir umso mehr, dass wir unsere Stimme erheben und dagegenhalten.“
Queere Stimmen gegen Angst, Hass und Gleichgültigkeit
Gerade jetzt sei es wichtig, dass die Verbündeten und Unterstützenden der queeren Community, die sogenannten Allies, für ihre Mitmenschen einträten. „Ich begreife Sexualität heute als etwas Politisches. Es geht gar nicht anders. Neutralität reicht nicht. Man sollte die Stimme erheben. Ein Beispiel ist Instagram. Wenn man dort Hasskommentare liest, erschreckt es einen. In solchen Situationen ist es wichtig, selbst etwas zu sagen. Einen Kommentar zu schreiben. Man darf diesen Stimmen nicht die Bühne überlassen.“
„So banal es klingt: Redet miteinander – online und offline. Schreibt liebevolle Kommentare. Steht ein für queere Menschen – oder für jede diskriminierte Minderheit. Wenn jemand beleidigt wird, reicht manchmal ein Satz: ‚Ich sehe das anders.‘“
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„Ich habe das Gefühl, wir laufen Gefahr, dass es zu einem ständigen Links-gegen-Rechts-Kampf wird. Ein reines Gegeneinander. Wir sollten aber Räume für Gespräche schaffen, um beide Seiten zu verstehen. Um gemeinsame Ziele zu finden. Nicht: ‚Wogegen bist du?‘ – sondern: ‚Wofür stehen wir gemeinsam?‘ Was ist uns als Menschen wichtig? Wie wollen wir leben?“
*Da es in diesem Artikel explizit auch um trans- und nonbinäre Personen geht, wird hier, im Gegensatz zur sonstigen Tonalität unseres Portals, gegendert.