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Hamburg: Mann kommt aus der Türkei nach Deutschland – was ihm dort passierte, will er nie wieder erleben

Hamburg: Mann kommt aus der Türkei nach Deutschland – was ihm dort passierte, will er nie wieder erleben

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Hamburg: Heval Bozbay war in der Türkei ein Archäologe, der wegen seiner Kritik an der Regierung keine einfache Zeit erlebte. Foto: imago images & privat (Montage MOIN.DE)

Der kurdische Archäologe Heval Bozbay suchte nach Spuren und Zeugnissen der vergangenen Zivilisation auf dem Territorium der heutigen Türkei. Nach öffentlicher Kritik am türkischen Kulturminister hat sich sein Leben komplett verändert. Seit Anfang Juli lebt er nun in Hamburg.

In der Hansestadt hat der Akademiker ein Stipendium bei der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte erhalten. Im Interview mit MOIN.DE erzählt Bozbay, was ihm in der Türkei angetan wurde und was er sich für seine Zukunft in Hamburg erhofft.

Hamburg: Kurdischer Archäologe wurde nach Deutschland eingeladen

Bozbay ist in einer traditionellen kurdischen Familie im Osten der Türkei geboren und aufgewachsen. An der Universität in Istanbul hatte er Archäologie studiert. Während des Studiums nahm er an mehreren archäologischen Projekten teil und hatte so die Möglichkeit, die tiefe Geschichte Anatoliens kennenzulernen.

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„Meine wissenschaftlichen Interessen sind die Vorgeschichte des Nahen Ostens und das Kulturerbemangement. Als Kurde natürlich aber auch die Politik in der Türkei“, sagt er MOIN.DE.

Seiner Meinung nach hat die Türkei seit Beginn des 20. Jahrhunderts das kulturelle Erbe Kurdistans stark verwüstet und ausgebeutet. „Nicht nur in der Türkei, auch im Irak, in Syrien und im Iran. Viele historische kurdische Städte wurden während der Zeit von Recep Tayyip Erdogan und seiner Partei AKP zerstört, bombadiert und sogar betoniert, wie im Fall von Hasankeyf“, so Bozbay, der seine Kritik an dieser Kulturerbepolitik der Türkei veröffentlicht hatte und 2013 von allen archäologischen Grabungen ausgeschlossen worden war.

Hamburg: Bozbay wird neuer Stipendiat bei der Hamburger Stiftung

Drei Jahre später war er einer der Unterzeichner der Erklärung „Wir werden an diesem Verbrechen nicht beteiligt sein“ von „Academic for Peace“, einer Initiative von Akademikern aus der Türkei. Sie forderten Frieden in dem anhaltenden Konflikt zwischen der türkischen Armee und kurdischen Rebellen im Südosten der Türkei.

Ab dem Moment war Bozbays Leben in Gefahr. „An dem Tag, an dem die Petition veröffentlicht wurde, waren die Unterzeichner, deren Zahl zu diesem Zeitpunkt bereits bei über 2.000 lag, zahlreichen Angriffen ausgesetzt. Hunderte von ihnen wurden entlassen, ihre Pässe wurden entwertet oder beschlagnahmt. Sie wurden daran gehindert, eine neue Arbeitstelle zu bekommen. Mehrere Akademiker wurden körperlich und verbal bedroht, andere wurden in Gewahrsam genommen“, erinnert sich der Archäologe zurück.

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Durch die Unterzeichnung hatte Bozbay seine Stelle an der Hochschule von Nevsehir verloren. Danach hatte er sich nach anderen Jobs umgeschaut, um über die Runden zu kommen. „Ich habe zum Beispiel ein Café in Kappadokien (eine Region in der Zentraltürkei, Anm. d. Red.) eröffnet. Schnell wurde es zu einem Kulturhaus für Dissidenten und Künstler. Ich habe Treffen, Kurse, Seminare und kurdische Musikabende organisiert“, so Bozbay, der allerdings sein Café nach kurzer Zeit wieder schließen musste.

„Die Hamburger Stiftung unterstützt Dissidenten auf der ganzen Welt“

Denn auch hier war er in Gefahr. Die örtliche Polizei und nationalistische türkische Gruppen zwangen ihn und andere Kurden, umzuziehen. Anschließend lebte er eine Weile in Istanbul, wo er sich aber nicht dem Druck der Polizei entziehen konnte. „Vor ungefähr zwei Monaten durchsuchte die Polizei mein Haus und beschlagnahmte meinen Computer, mein Telefon und alle anderen elektronischen Geräte.“

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Anfang Juli kam er dann nach Deutschland. Hier bekam Bozbay ein Stipendium für politisch Verfolgte bei der Hamburger Stiftung. Mit einem Blumenstrauß wurde der Akademiker von Geschäftsführerin Martina Bäurle empfangen.

„Die Hamburger Stiftung unterstützt seit mehr als 30 Jahren Dissidenten auf der ganzen Welt. Ich bin als einer der vier Stipendiaten für dieses Jahr 2021 angenommen worden. Ich danke dem Vorstand und der Geschäftsführerin Martina Bäurle für ihre wertvolle Unterstützung“, freut sich Bozbay, der heute Kinderbücher über das kulturelle Erbe der Türkei schreibt.

Das möchte er auch in der Zukunft in der Hansestadt machen und hofft „in dieser friedlichen Atmosphäre produktiver zu sein“.