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Hamburg: Loverboy vor Gericht – sein Opfer hatte aus Angst und Scham DAS geheim gehalten

Hamburg: Loverboy vor Gericht – sein Opfer hatte aus Angst und Scham DAS geheim gehalten

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In Hamburg hat ein Mann seine Freundin zur Prostitution gezwungen (Smybolbild) Foto: picture alliance / dpa | Christian Charisius

Nach zwei Verhandlungstagen erging am Donnerstag im Amtsgericht Hamburg-St. Georg das Urteil im Loverboy-Prozess, über den MOIN.DE bereits berichtete.

Der Angeklagte Vladyslav M. (26) aus Hamburg wirkte in seinem Tommy-Hilfiger-Sweater, der engen Jeans und den roten Sneakers kein bisschen angespannt, als er vor die Richterin trat. Er kannte das Prozedere.

Hamburg: Loverboy soll 19-Jährige zu Prostitution gezwungen haben

Schließlich hat der gebürtige Ukrainer mit deutscher Staatsangehörigkeit seitdem er ein Jugendlicher war schon mehrfach Bewährungs- und Haftstrafen kassiert. Unter anderem wegen Wohnungseinbrüchen, Diebstahl, Raub, Vermögensdelikten und zuletzt wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, als er auf einen Kiez-Türsteher mit einem abgebrochenen Flaschenhals losging, der ihn unter Einsatz von Pfefferspray stoppte.

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Dieses Mal stand er wegen Zwangsprostitution der zum Tatzeitpunkt 19-jährigen Jessica B. vor Gericht und erhielt dafür eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und einem Monat. Der Staatsanwalt hatte ein Jahr und vier Monate gefordert, sein Verteidiger Freispruch. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Vladyslav M. das unsichere Mädchen aus schwierigen sozialen Verhältnissen dazu drängte, sich für ihn zu prostituieren.

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Definition Loverboy

  • Bei der sogenannten Loverboy-Methode versuchen Männer insbesondere junge Frauen über eine vorgetäuschte Liebesbeziehung emotional an sich zu binden, um sie nach einiger Zeit der Prostitution zuzuführen.
  • Die Täter gehen dabei strategisch vor: Über mehrere Wochen und Monate bauen sie eine Beziehung zu den Mädchen auf, in denen oft auch ein gemeinsames Zukunftsszenario skizziert wird. Es entsteht eine starke emotionale Bindung an den Täter.
  • Diese macht sich der Täter zunutze, um die junge Frau in der Prostitution auszubeuten.
  • Die betroffenen Frauen und Mädchen können sich aufgrund der emotionalen Abhängigkeit nur schwer dem Zwang und den Forderungen des Täters entziehen.
  • Die jungen Mädchen werden meist gezielt über soziale Netzwerke, im Chat oder vor Schulen angesprochen.
  • Dabei halten die Täter nach besonders jungen Frauen Ausschau, die unsicher sind und Probleme haben. (Quelle: Landeskriminalamt)

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Dafür habe er die Tatsache ausgenutzt, dass Jessica B. so sehr in ihn verliebt war, dass sie ihr Elternhaus in Wittenberge (Brandenburg) verließ und schnell zu ihm nach Hamburg-Horn zog. Sie sollte ihn aus seinen finanziellen Schwierigkeiten befreien. Zur Umsetzung seiner Tat hätte er ihr im August 2019 extra auf einschlägigen, pornografischen Internet-Plattformen Accounts eröffnet, damit er sie dort anbieten konnte. Ferner habe er selbst Termine für sie mit Freiern vereinbart und sie in Wohnungen und einem Bordell zur Prostitution genötigt. Das verdiente Geld nahm er ihr ab. Sie durfte nur etwas für Kosmetika behalten.

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Hamburg: Angeklagter hat erhebliche Vorstrafen

Erst als das Mädchen ihren vermeintlichen Freund dabei ertappte, wie er sich mit einer weiteren Frau traf, begriff sie allmählich und beendete ihre sexuellen Dienste. Sie zog zurück zu ihren Eltern. Dass es überhaupt zur Anklage kam, passierte rein zufällig. Denn das war einem anderen Ermittlungsverfahren geschuldet. Oft wollen junge Frauen, die auf einen Loverboy hereingefallen sind, ihre Peiniger weder anzeigen, noch freiwillig gegen sie aussagen.

Als heute zwei Polizisten vor Gericht als Zeugen geladen waren, stellte sich heraus, dass Jessica B. zu einem anderen Tathergang als Zeugin vernommen wurde, bei der scheinbar ein anderes junges Mädchen ebenfalls zur Prostitution gezwungen wurde. Den erfahrenen Beamten wurde schnell klar, dass auch Jessica B. ein Opfer war. Deshalb leiteten sie das Verfahren ein. Vor Gericht beschrieben die Polizisten sie als unsicher und verängstigt. Nur ihre Mutter hatte davon gewusst. Vor ihrem Vater hatte sie ihr Martyrium aus Angst und Scham geheim gehalten.

Obwohl Opfer meist ein Leben lang leiden, kommen die Täter oft nur mit Bewährungsstrafen davon. Warum es auch in diesem Fall so ist, obwohl Vladyslav M. erhebliche Vorstrafen hat, erklärte die Richterin nach ihrer Urteilsverkündung: Es hätte sich „nur um ein kurzes Intermezzo“ gehandelt. Der Tatzeitraum sei „eingegrenzt“, weil Jessica B. die Zeiten bei ihrer Aussage nicht genau hatte benennen können.

Hamburg: Anwältin „aus Opfersicht“ nicht mit dem Urteil zufrieden

Es hätte „wenig zum Loverboy gebraucht“. Es sei für ihn „nicht schwer gewesen, sie zu überzeugen“. Er hätte „ein leichtes Spiel“ bei der „jungen, naiven Frau gehabt, die auch noch Drogen genommen hatte“. Somit würde es sich um eine „Tatminderung“ handeln.

Zudem würde Vladyslav M. „trotz seiner erheblichen Vorstrafen inzwischen ein anderes Leben führen“. Er sei nach Buchholz fernab vom Kiez gezogen und inzwischen Vater eines zweimonatigen Babys geworden. Außerdem würde er sich „bemühen, ein bürgerliches Leben zu führen und sich einen Ausbildungsplatz zu suchen“. Der ungelernte Hilfsarbeiter mit Hauptschulabschluss und Gelegenheitsjobs hatte angegeben, sich um eine Ausbildungsstelle bemühen zu wollen: „Vielleicht im Einzelhandel, im Büromanagement oder in der Security-Branche oder vielleicht als Immobilienmakler.“

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Ist denn die Anwältin von Jessica B., die als Nebenklägerin auftrat, mit dem Urteil zufrieden? „Aus Opfersicht nicht“, sagte sie nach dem Prozess. „Aber mit dem Urteil bin ich generell zufrieden, weil es eine Bewährungsstrafe und kein Freispruch geworden ist.“