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Hamburg: Konkurrenz für die Hansestadt? „Da müssen wir uns nicht verstecken“

Hamburg: Konkurrenz für die Hansestadt? „Da müssen wir uns nicht verstecken“

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Die Elbphilharmonie im Nebel von Hamburg Foto: imago

Zur Unterstützung der Kulturschaffenden sieht Hamburg für das Haushaltsjahr 2022 eine Summe von rund 300 Millionen Euro vor. Zusätzlich gibt es Corona-Hilfsmittel von mehr als 100 Millionen Euro.

Die fließen in sämtliche Bereiche von Theatern, über Bücherhallen und Musiksstätten. Wie es um das Image der Stadt bestellt ist was in der Zukunft zu erwarten ist, darüber sprach MOIN.DE mit dem Leiter der Kulturbehörde, Dr. Carsten Brosda (SPD). Im Interview verrät er zudem, welches Projekt bald neue Künstler nach Hamburg locken soll.

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Hamburg: „Müssen uns nicht verstecken“

MOIN.DE: Warum bietet Hamburg keine Kracher, sodass uns andere Städte den Rang ablaufen? Warum haben wir keine Picasso- oder Richter-Ausstellungen?

Carsten Brosda: Das würde ich gar nicht so sehen. Wir hatten vor kurzem eine Richter-, Baselitz-, Polke- und Kiefer-Ausstellung in den Deichtorhallen. Momentan läuft dort die großartige Tom-Sachs-Ausstellung. Wenn das keine Kracher sind, dann weiß ich auch nicht. Die Deichtorhallen sind ein Ort für die große Geste und den großen Aufschlag. In der Kunsthalle geht es zudem darum, große Panoramen aufzufächern und Künstler wiederzuentdecken. Das ist ja auch der Job eines Museums wie der Kunsthalle.

Wenn die Handschrift des Leiters Alexander Klar noch sichtbarer wird, wird da sicher noch einiges Aufsehen erregendes kommen. Was unsere Häuser im Theaterbereich angeht, die Saison-Eröffnung der Staatsoper mit Hoffmanns Erzählungen war ein großer überregionaler Erfolg und Schauspielhaus und Thalia spielen gerade auch künstlerisch und beim Publikum sehr erfolgreich. Da müssen wir uns nicht verstecken. Es geht aber nicht nur um den Kracher, sondern auch um die Substanz. Wenn etwas schnell verhallt, dann ist auch nichts gewonnen.

Hamburg ist als Musical-Stadt erfolgreich. Aber die Kino-Premieren sind nach Berlin abgewandert. Gibt es eine Möglichkeit, sie zurückzuholen?

Unter anderem die Filmförderung hat in den letzten Jahren auch ganz schöne Erfolge nach Hamburg geholt. Was wir zudem machen, ist das Filmfest ordentlich aufzustellen. Leos Carax, der beim Kinoklassiker ,Die Liebenden von Pont-Neuf’ Regie führte, wurde beim diesjährigen Filmfest im Rahmen der Deutschland-Premiere seines Musical-Films ,Annette’ mit dem Douglas-Sirk-Preis ausgezeichnet. Das war ein großer Kino-Moment!

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Daten und Fakten über Carsten Brosda:

  • Dr. Carsten Brosda wurde im Oktober 1974 in Gelsenkirchen geboren.
  • Von 1995 bis 2000 studierte er an der Uni Dortmund Journalismus und Politik.
  • 2000 bis 2005 war er Pressereferent und Redenschreiber im SPD-Parteivorstand.
  • 2005 bis 2009 war Carsten Brosda Referatsleiter im Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
  • 2010 bis 2011 Abteilungsleiter Kommunikation beim SPD-Parteivorstand.
  • 2011 bis 2016 Leiter des Amtes Medien in der Hamburger Staatskanzlei, später Staatsrat.
  • Seit 2017 Kultursenator, seit 2020 außerdem Präsident des Dt. Bühnenvereins.
  • Carsten Brosdas Hobbys sind lesen und Musik hören.
  • Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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Aber dem Filmfest in Hamburg fehlt der Glamour-Faktor.

Soll es Glamour haben, oder Substanz? Mir wäre im Zweifel Substanz wichtiger. Ich glaube, den meisten Bürgern auch. Denn das Filmfest erfreut sich bester Zuschauerzahlen. Die Mischung zwischen großen Multiplex-Kinos und den Programm-Kinos, die ja mit dem Abaton hier in Hamburg erfunden wurden, bleibt natürlich. Hamburg ist eine Kinostadt. Dass Berlin mehr Premieren hat, liegt auch daran, dass sich da das Kinogeschäft aufgrund der Förderbedingungen des Bundes konzentriert.

In der Elbphilharmonie treten im Vergleich zur Royal Albert Hall in London, die ebenso ehrwürdig ist, kaum Pop- oder Rockstars auf. Sie ist sehr Klassik lastig. Ist das so gewollt?

Die beiden Häuser sind nicht vergleichbar. Die Elphi ist ja tatsächlich gebaut worden, um in erster Linie die großen, klassischen Konzerte durchzuführen. Sie hat eine Intendanz, die ein künstlerisches Programm verantwortet. Sie hat einen Klassik-Schwerpunkt und ist ja auch akustisch darauf ausgerichtet worden. Aber natürlich ist das Programm dort bunter – von Jazz bis Pop, während des Reeperbahnfestivals und darüber hinaus. So habe ich da zum Beispiel schon John Cale gesehen. Aber klar ist auch: Für Rock, Pop, Blues, Soul gibt es viele weitere Orte in der Stadt. Wir haben aber auch eine große Dichte an Live-Musik-Spielstätten. Denkt man an die Markthalle oder an die Fabrik oder die vielen Clubs.

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Hamburg: Neue Pläne für eine Musikhalle

Sind die Kapazitäten in Hamburg ausreichend, oder gibt es neue Projekte?

In der Stadt fehlt tatsächlich eine Halle mit der Kapazität von 4000 Besuchern. Daher entwickeln wir gerade für das Areal am Diebsteich die Idee einer neuen Musikhalle. Damit würde diese Lücke in Hamburg geschlossen. Dabei sind wir auch mit Akteuren aus der Hamburger Musikwirtschaft im Gespräch, die sich zusammengeschlossen haben, um so ein Projekt auf den Weg zu bringen. Das Genehmigungsverfahren läuft gerade. Fördergelder braucht es dazu nicht, weil das wirtschaftlich gebaut wird.

Auf welche Highlights darf sich Hamburg denn freuen?

Hamburg hat ein ständiges Grundrauschen an erstklassiger Kultur. Im Januar wird die Elbphilharmonie fünf Jahre alt. Da wird eine ganze Menge passieren. Das Haus ist gerade dabei, das Programm zu entwickeln. Im Laufe des Monats werden wir die ersten Informationen herausgeben.

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Welche Weltstars sind in Hamburg im Anflug?

Wir haben ständig Weltstars in der Stadt. Welche wann kommen, erfahre ich aber wie alle anderen auch meistens aus den jeweiligen Übersichten, weil die Kulturbehörde keine Programme selbst macht.

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Von der ehemaligen Gamecity mit Big Point ist nicht mehr viel übrig. Unter der Regie von Lars Hinrichs war ein Digital Art Museum angedacht. Gibt es eine neue zukunftsweisende Initiative für Hamburg?

Das Digital Art Museum kommt. Der Games-Standort Hamburg zählt weiter zu den größten in Deutschland. Big Point ist nicht mehr so groß, zählt aber mit InnoGames und Goodgame Studios weiter zu den zehn größten Games-Unternehmen im Land. Auch andere haben begriffen, dass Games ein wichtiger Markt ist. Wir haben zudem im Bereich Virtual Reality viele Engagements im Kreativspeicher M28 in der Hafencity, wo mehrere Unternehmen über vier Etagen spannende Themen entwickeln.

Wir haben in Hamburg unglaublich viele Firmen im kultur- und kreativwirtschaftlichen Bereich, die Geschäftsmodelle für Inhalte im Digitalen entwickeln. Hamburgs Vorteil, den wir auch ausspielen, ist der, dass wir diese Inhalte-Unternehmen hier haben. Wenn diese Digital-Kompetenz weiter so ausgebaut wird, wie bisher, dann bekommen wir es hin, die Substanz am Standort Hamburg noch mehr zu stärken.