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Hamburg: Sie machen einen Job, den kaum jemand will – jetzt werden sie rausgeschmissen

Hamburg: Sie machen einen Job, den kaum jemand will – jetzt werden sie rausgeschmissen

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Nicht nur in Hamburg fehlt jede Menge Pflegepersonal Foto: dpa

Hamburg. 

In Hamburg-Wilhelmsburg steht die Pflegeschule Groß-Sand. Es gibt sie seit vielen Jahren, hier werden jährlich rund 50 Schüler zu Kinder-, Kranken- oder Altenpflegern ausgebildet.

Berufe, in denen derzeit überall händeringend nach Mitarbeitern gesucht wird. Auch in Hamburg. Dennoch könnten die Schüler bald vor dem Nichts stehen.

Hamburg: Pflegefachschule vor dem Aus

Denn die Pflegeschule Groß-Sand soll schließen. Ihr Betreiber, das angeschlossene Wilhelmsburger Krankenhaus Groß-Sand, begründet das mit finanziellen Schwierigkeiten. Doch die Argumente klingen fragwürdig.

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Die Betreiber berufen sich auf ein neues Gesetz, dass eine gemeinsame Ausbildung der verschiedenen Pflegeberufe vorsieht. Angeblich bräuchte man dafür eine neue technische Ausstattung, die die Schule sich nicht leisten könne. „Es handelt sich um eine unternehmerische Entscheidung“, heißt es gegenüber MOIN.DE. „Wir wollen uns hier breiter aufstellen und für die Anforderungen der Zukunft gewappnet sein.“

Die Pflegeschüler entgegnen allerdings, dass die aktuellen technischen Möglichkeiten auf dem neueste Stand und völlig ausreichend seien. Und für genau solche Probleme sieht die Politik sogar einen satten finanziellen Zuschuss für Pflegeschulen vor!

Pflegeschule in Hamburg bekäme satten Zuschuss

„Mit Umsetzung des neuen Pflegeberufegesetzes erhalten alle Pflegeschulen, die die neue generalistische Pflegeausbildung anbieten, eine umfassende finanzielle Unterstützung aus dem Ausbildungsfonds, die sich an den Schülerzahlen bemisst“, erklärt Peter Albrecht, Sprecher der Behörde für Schule und Berufsbildung, gegenüber MOIN.DE.

„Diese liegt bei Pflegeschulen mit bis zu 100 Pflegeschülerinnen bei 7.950 Euro pauschal je Schüler und Jahr“. Diese Zuzahlung sollte der Schule in Wilhelmsburg eigentlich problemlos eine Aufrüstung ermöglichen.

Politiker aus Hamburg setzen sich für Erhalt ein

Die Hamburger Politik ist ohnehin nicht glücklich mit der geplanten Schließung und wird es dem Krankenhaus Groß-Sand und dem katholischen Erzbistum, dem es gehört, vermutlich nicht so einfach machen.

Linus Jünemann, Grünen-Politiker und Obmann im Gesundheitsausschuss, sagt: „Die Schule ist in Hamburg einzigartig, was ihre Arbeit in den Stadtteil hinein und die besondere Unterstützung der Auszubildenden angeht. Es wäre ein großer Verlust, wenn diese Arbeit verloren geht.“

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Die Grünen wollen sich zusammen mit der SPD für eine Lösung des Konflikts stark machen: „Deshalb setzen wir uns für eine Beratung in der nächsten Sitzung des Gesundheitsausschusses ein. Wir suchen parallel dazu bereits den Austausch mit Entscheidungsträgern und Betroffenen.“

Schüler aus Hamburg top ausgebildet

„Besondere Unterstützung“ heißt: Aufgrund kleinerer Klassen können auch Schüler, die anfangs noch Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben, gut betreut werden. Das zahlt sich aus: Die Wilhelmsburger Absolventen schließen in der Regel mit überdurchschnittlich guten Noten ab.

Kommt alles, wie das Krankenhaus es plant, müssen rund 31 Schüler des laufenden Jahrgangs ihre theoretische Ausbildung an einer Schule in Hammerbrook zu Ende bringen. In größeren Klassen, unter ganz anderen Bedingungen. Eine gute Nachricht gibt es aber: Die Betreiber können immerhin zuscihern, „dass die Auszubildenden auch in der neuen Schule in ihrem gewohnten Klassenverband bleiben.“

Pflege-Azubis protestieren in Hamburg

Die Schüler protestieren derzeit mit großen Bannern in den Fenstern der Schule, zudem demonstrierten sie in den vergangenen Tagen auf den Straßen Hamburgs für den Erhalt ihrer Ausbildungsstätte.

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Obwohl sie sich vieler Sympathien sicher sein können, auch vonseiten der Politik, sieht es für ein glückliches Ende der Geschichte mit jedem Tag schlechter aus. Bis zum 1. Oktober ist es nicht mehr lange hin.

Hamburg: Schulbetreiber suchten keine Unterstützung

Mehrmals wurde jetzt die Vermutung laut, dass die Schulschließung in Zusammenhang mit einem möglichen Verkauf des finanziell angeschlagenen Wilhelmsburger Krankenhauses stehen könnte. Das Erzbistum, dem die Klinik gehört, wolle „Ballast“ loswerden, um möglichen Käufern ein attraktives Angebot machen zu können. Die Kirche äußerte sich bisher nicht dazu.

Dafür spräche, dass die Schule sich nicht groß um finanzielle Hilfe bemüht zu haben scheint. Zumindest suchten die Betreiber nie das Gespräch mit dem Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB).

„Daher bedauern wir, dass die Schließung der Schule in Wilhelmsburg so kurzfristig entschieden und kommuniziert wurde. Zu dieser unternehmerischen Entscheidung gab es zuvor keine Kontaktaufnahme mit dem HIBB“, sagt Peter Albrecht, Sprecher der Hamburger Bildungsbehörde, gegenüber MOIN.DE enttäuscht.

Vonseiten der Klinik Groß-Sand oder der Leitung der Pflegeschule erreichte uns bis jetzt noch kein Statement.

Kann Pflegeschule in Hamburg gerettet werden?

„Im Übrigen begrüßen wir es, dass auf Antrag von SPD und Grünen sich am 25. August der Gesundheitsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft mit dem Krankenhaus Groß-Sand und der zugehörigen Pflegeschule befassen soll, da das Krankenhaus und die Schule bisher einen sehr wertvollen Beitrag zur Ausbildung der Pflegeschülerinnen geleistet hat.“

Ein kleiner Hoffnungsschimmer glimmt da also doch noch am Ende des Tunnels. In jedem Fall ist erstaunlich, dass eine so wohlhabende Institution wie die katholische Kirche sich nicht in der Lage sieht, soziale Projekte wie ein Krankenhaus samt Pflegeschule zu finanzieren. Jetzt liegt es bei der Stadt, eventuell noch ein Happy End zustande zu bringen.