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Aida, „Mein Schiff“ und Co. wollen Kreuzfahrt revolutionieren, Experten skeptisch – „Heute noch nicht“

Aida, „Mein Schiff“ und Co. wollen Kreuzfahrt revolutionieren, Experten skeptisch – „Heute noch nicht“

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© IMAGO/Eibner, imago images/penofoto, imago/penofoto

Kreuzfahrten: Urlaub auf hoher See

Von Jahr zu Jahr stechen mehr Touristen in See. Kreuzfahrten werden weltweit immer beliebter. Auch immer mehr Deutsche machen Urlaub auf hoher See.

Die großen Reedereien wie Aida, „Mein Schiff“ oder MSC ringen um die Balance zwischen Umwelt- und Klimafreundlichkeit und dem wirtschaftlich Machbaren. Stolz angekündigte neue Ozeanriesen versprechen das Meer, die Luft und das Klima zu schonen. Aber gibt es das Traumziel: Kreuzfahrt ohne schlechtes Umweltgewissen?

Neue Schiffsgenerationen senken zumindest ihre schädlichen Emissionen, etwa durch einen effizienten Energiemix von fossilen Brennstoffen mit Batteriespeicher oder Brennstoffzelle. Viele Details beim Schiffsdesign und im Betrieb an Bord verbessern die Klimabilanz. Sönke Diesener vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) spricht von „zukunftsträchtigen Lösungen“. Doch wie umweltfreundlich sind Aida, „Mein Schiff“ und Co. wirklich? Manche Reedereien optimierten auch ihre Bestandsflotte. „Aber umweltfreundlich ist der Kreuzfahrt-Urlaub damit heute noch nicht“, sagt der Nabu-Referent für Umweltpolitik und Verkehr. Das dreckige Schweröl dominiert immer noch die Weltmeere…

Was ist umweltschädlich an Schiffsreisen mit Aida, „Mein Schiff“ und Co.?

Mit Schweröl angetriebene Motoren schädigen die Umwelt mit dem Ausstoß von Schwefeloxid, Stickoxid, Feinstaub und Ruß und tragen mit Kohlendioxidemissionen (CO2) zur Klimakrise bei. Schadstoffreduzierte Treibstoffe wie Marine-Gasöl und Marinediesel sind teurer und emittieren nur geringfügig weniger CO2.

Selbst das schadstoffärmere verflüssigte Erdgas LNG, das als Übergangslösung in eine klimafreundliche Kreuzfahrt gilt, schafft nur eine CO2-Reduktion um die 20 Prozent. Und es hat auch Nachteile, wie Katharina Koppe vom Umweltbundesamt erklärt: „Bei Herstellung, Transport und Betrieb entweicht aber klimaschädliches Methan, das den CO2-Vorteil reduziert und die Klimabilanz zum Teil sogar schlechter macht als die von Schiffen mit Marinediesel.“

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Was tun Aida, „Mein Schiff“ und andere Reedereien?

Einige Reeder kommen den Vorschriften der für die Schifffahrt zuständigen UN-Organisation IMO mit Abgasreinigern (Scrubber) nach, die allerdings ihrerseits den Energieverbrauch erhöhen und deren kontaminiertes Waschwasser meistens ins Meer entsorgt wird.

Immerhin pusten sechs Schiffe der Tui-Cruises-Flotte dank Scrubber, Stickoxidkatalysatoren und Rußpartikelfilter nach eigenen Angaben bis zu 99 Prozent weniger Schwefel, 75 Prozent weniger Stickoxid und 60 Prozent weniger schädliche Partikel aus ihren Schornsteinen und entsorgen die Rückstände fachgerecht an Land.

Die Ziele sind ambitioniert. Im Jahr 2030 sollen die ersten Schiffe der Tui-Flotte von „Mein Schiff“ vollständig klimaneutral unterwegs sein, sagte die Tui-Cruises-Chefin Wybcke Meier jüngst dem „Tagesspiegel“. Es gebe allerdings eine große Unbekannte, so Meier: die ausreichende Verfügbarkeit von Biotreibstoffen.

Aida Cruises setzt vor allem auf das fossile LNG, das eines Tages durch synthetischen oder biogenen Treibstoff ersetzt werden könnte. Andere wie Hapag Lloyd oder Plantours sind mit Marinediesel unterwegs. Als Lichtblick gilt derzeit Landstrom aus regenerativen Quellen. Der Anschluss der Schiffe im Hafen macht den Betrieb in der Zeit emissionsfrei und reduziert Lärm und Vibrationen.

Was wirklich fehlt, ist ein wirklich umweltfreundlicher Antrieb fernab von Öl, Diesel, LNG oder auch biogenen Treibstoffen. Eine mögliche Lösung: aus regenerativer Energie hergestelltes Ammoniak (in diesem Artikel liest du mehr dazu). „Mein Schiff“ rüstet eines seiner neuen Schiffe zudem so auf, dass es irgendwann mal mit Bio-Methanol fahren könnte (MOIN.DE berichtete).

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Daten und Fakten zu Aida:

  • Aida ging aus der „Deutsche Seereederei“ hervor, einem volkseigenen Betrieb im Feriendienst der DDR
  • Nach der Wende beschloss das Unternehmen, Kreuzfahrtschiffe nach amerikanischem Vorbild zu bauen
  • Damit sollte das Prinzip eines Cluburlaubs auf die Kreuzfahrtreise übertragen werden
  • 1996 ging das erste Aida-Clubschiff auf Reise, derzeit (Stand 2022) besteht die Flotte aus 13 Schiffen
  • 15.000 Menschen aus 50 Ländern arbeiten für Aida, davon 13.500 an Bord der Schiffe
  • Der Firmensitz von Aida ist in Rostock, die Reederei hat ihren Sitz in Hamburg
  • Die Schiffe fahren unter italienischer Flagge, Aida gehört zum italienischen Unternehmen Costa Crociere
  • Das Merkmal der Aida-Schiffe ist der Kussmund am Bug

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Aida, „Mein Schiff“ und Co. vor großer Herausforderung

„Ökologisch produzierter Landstrom wird im umweltfreundlichen Energiemix der Kreuzfahrt sehr wichtig sein“, urteilt Harald Zeiss, Professor für Nachhaltigkeit und Tourismus an der Hochschule Harz.

Doch während bald fast die Hälfte der Schiffe landstromfähig ist oder schnell darauf umgerüstet werden kann, gibt es bislang laut dem Verband der Kreuzfahrtindustrie (Clia) weltweit nur 14 Häfen mit entsprechenden Anschlüssen, darunter Hamburg, Kiel, Rostock-Warnemünde, Bergen, Trondheim und Southampton. Aida und „Mein Schiff“ sind dabei, diese Anlagen immer mehr in ihren Kreuzfahrt-Alltag zu integrieren.

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Aida, „Mein Schiff“ und Co.: Womit reduzieren Kreuzfahrtschiffe die Umweltbelastung noch?

Routenänderungen und ökonomische Fahrweise mittels ausgefeilter Software und widerstandsmindernder Außenhautanstriche des Schiffskörpers verringern den Kraftstoffverbrauch. Neue unschädliche Techniken verhindern marinen Bewuchs am Kühlungssystem. Auch im Hotelbetrieb, der bis zu 50 Prozent der Energie des Schiffes verschlingt, wird an vielen Stellschrauben gedreht.

„Manche Ozeanriesen haben eine bessere Müllentsorgung und Abwasseraufbereitung als eine kleine Kommune“, sagt NABU-Referent Diesener. Details wie biologisch abbaubare Reinigungs- und Pflegeprodukte, Optimieren von Klimaanlagen oder Energierückgewinnung aus der Bremsenergie von Aufzügen und grüne, faire Landausflüge sind weitere Schritte in Richtung mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

Derzeit gilt Norwegen als Vorreiter auf dem Weg in die klimafreundliche Schifffahrt. Die Hurtigruten-Schiffe fahren mit Marinediesel, dem bis zu 20 Prozent Biodiesel aus Lebensmittelabfällen beigemischt wird. Bis 2030 will die Reederei emissionsfreie Kreuzfahrten anbieten können. Der neue Mitbewerber auf der Postroute, Havila Kystruten, setzt auf ein computergesteuertes Energiemanagement von LNG plus Batterie. Die Schiffe können bis zu vier Stunden elektrisch fahren.

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Mehr News zu Aida und „Mein Schiff“:

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Aida, „Mein Schiff“ und Co.: Auf welchen Routen wird stärker auf die Umwelt geachtet?

In internationalen Gewässern dürfen Schiffe mit Schweröl fahren. Für küstennahe Gebiete und von der IMO ausgewiesene, gefährdete Sondergebiete (Emission Control Areas, ECA) gelten strengere Regeln, was den Ausstoß an Schwefel- und Stickoxiden angeht. Dazu zählen die Ost- und Nordsee, die Küsten der USA und Kanada inklusive der Gewässer um Hawaii und der US-amerikanischen Karibik, einige Gebiete in China und generell alle EU-Häfen.

In der Antarktis und künftig in der Arktis dürfen Schiffe aus Havarie-Vorsorge kein Schweröl an Bord haben.

Worauf können umweltbewusste Kreuzfahrer bei Reisen mit Aida, „Mein Schiff“ oder anderen Reedereien achten?

Der Kreuzfahrtjournalist Franz Neumeier schlägt als umweltbewusste Schiffsreise für Urlauber „kurze Kreuzfahrten in der Nähe und Anreise mit der Bahn“ vor. Tatsächlich verhageln weite Flugstrecken den CO2-Fußabdruck des Urlaubs enorm.

Kreuzfahrer können mit einem zusätzlichen Geldbetrag freiwillig CO2 kompensieren und damit zumindest die auf ihren Kopf entfallenen auf der Reise ausgestoßenen Treibhausgase ausgleichen. (dpa/rg)