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Camping an der Nordsee – was hier passiert, können Urlauber sonst nirgendwo erleben

Camping an der Nordsee – was hier passiert, können Urlauber sonst nirgendwo erleben

Sandstrand auf der Helgoländer Düne.
Sandstrand auf der Helgoländer Düne. Foto: dpa

Um den wohl entlegensten Camping-Platz in Deutschland zu erreichen, muss man zweimal übers Meer fahren. Gut zwei Stunden schippert das Bäderschiff von Cuxhaven über die Nordsee, dann kommt die Hochseeinsel Helgoland mit ihrem roten Tafelfelsen.

Dort wird umgestiegen in die kleine Fähre „Witte Kliff“ oder eines der offenen, seetauglichen Helgoländer Holzboote, genannt Börteboote. Je nach Wind und Seegang können die fünf Minuten Fahrt nass und schaukelig werden, dann ist man auf der Helgoländer Düne mit dem Camping-Platz fernab der Massen.

Camping mitten zwischen Kegelrobben und Seehunden

Nur 0,7 Quadratkilometer misst diese flache, kleine Nebeninsel. Zwei Sandstrände, dazwischen Dünen mit Strandhafer und Heckenrosen – mehr braucht es nicht für ein Natur- und Urlaubsparadies. Das Aufbauen des Zeltes kann warten. Auf Helgoland wird alles Gepäck transportiert und etwa zwei Stunden nach Ankunft zuverlässig geliefert.

Also führt der erste Weg an den Südstrand, zur Hauptsehenswürdigkeit der Düne: Im äußersten Winkel des Strandes lebt eine Kolonie von Kegelrobben und Seehunden. Kaum irgendwo sonst sind die Tiere so nah zu beobachten.

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Dicht an dicht liegen die massigen Körper, die Robben dösen und erholen sich von der Jagd. Mal hebt ein Tier Kopf und Schwanzflosse, mal dreht sich ein anderes um. Andere klären mit verärgertem Bellen die Rangfolge, manche gehen eine Runde schwimmen.

Camping: „Wir haben hier ein Platzproblem“

Wildhüterin Ute Pausch erklärt die Unterschiede: Kegelrobben sind größer, meist großflächig gefleckt und haben eine längere Schnauze. Die kleineren Seehunde sind eher gesprenkelt, haben eine kurze Schnauze und den niedlichen Kugelkopf.

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Ute Pausch und ein Kollege sorgen als Ranger der Gemeinde Helgoland für ein gedeihliches Miteinander von Mensch und Tier. „Wir haben hier ein Platzproblem. Die Düne ist klein, Badegäste und Robben leben eng beieinander“, sagt sie.

Camping: Wichtige Anweisung für alle Urlauber

Deshalb die Anweisung: 30 Meter Abstand. Je ungestörter die Tiere liegen können, desto seltener schwimmen sie in den Badebereich der Feriengäste, so Pauschs Erfahrung.

Denn ihrerseits halten die neugierigen Säugetiere im Wasser nicht Abstand. „Die haben einen hohen Spieltrieb“, sagt Pausch. Aber Kegelrobben sind eben auch die größten Raubtiere, die es in Deutschland gibt. Ein Biss von Kegelrobbe oder Seehund tut weh und ist infektiös.

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Also Abstand vergrößern oder heraus aus dem Wasser, falls nebenan ein schnauzbärtiger Tierkopf auftaucht. Doch seit die 30-Meter-Regel gelte, gebe es weniger Zwischenfälle, sagt Pausch.

Camping-Platz ohne Wohnmobile und Wohnwagen

Auf dem Campingplatz im Windschatten der Sanddünen stehen nur Zelte. Wie sollten Wohnwagen oder Wohnmobile auch auf die Insel kommen?

„Wir haben 122 ausgewiesene Zeltplätze“, sagt Platzwart Michael Lichte. Er empfiehlt lange Sandheringe, um die Zelte stabil im lockeren Boden zu verankern. Viele Zelter seien Stammgäste, erzählt Lichte. Die lagern im Winter ihre Ausrüstung in großen Kisten ein.

Und was fasziniert die Feriengäste so an der Miniinsel? „Das ist die Natur. Das ist die Ruhe, die wir hier haben“, sagt Lichte.

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Zelten ist aber nicht die einzige Übernachtungsmöglichkeit auf der Helgoländer Düne. Es gibt auch 57 bunte Ferienbungalows, zwei sogenannte Wikkelhouses aus Holz, Flachs und Wellpappe und zwei Schlafstrandkörbe.

Camping mit frechen Möwen und Austernfischern

In den Dünen auf der Nordseite nisten zahllose Möwen. Ihr Geschrei verstummt so gut wie nie. Es gibt immer eine Möwe, die noch etwas zu erzählen hat, und dann antwortet der ganze Chor. Die Möwen beschweren sich, wenn man auch nur scheinbar ihrem Nachwuchs zu nahe kommt. Sie betteln, und manchmal stibitzen sie auch Lebensmittel.

Zurückhaltender sind die schwarz-weißen Austernfischer mit ihrem melodischen Pfeifen. Schüchtern trippeln sie auf roten Beinen heran, als wollten sie sagen: „Gibt es hier etwas? Nein. Dann noch einen schönen Tag!“ Auch Enten watscheln auf Futtersuche bis ans Zelt.

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Weil es auf der Düne so eng ist, liegen die Waschräume für die Camper neben der Piste des kleinen Flugplatzes. Im Linienverkehr wird Helgoland aus Spieka bei Cuxhaven und aus Büsum angeflogen. An Sommerwochenenden sind alle Stellplätze mit Privatmaschinen belegt.

Vor jedem Start ist das gleiche Ritual zu beobachten: Die Piloten fahren einmal die Piste entlang, um Möwen und Enten vom Asphalt zu scheuchen. Dann wenden sie und starten am Vogelschwarm vorbei. Ist ein Flugzeug im Anflug, übernehmen das Feuerwehrauto oder ein anderes Fahrzeug das Freimachen der Landebahn.

Camping auf Helgoland: Spuren der Vergangenheit

Und so vergehen die Robinson-Tage mitten in der Nordsee: viel Sonne, viel Wind, manchmal Regen oder Sturm. Baden, Sonnen, Seehunde zählen, manchmal Kaffee und Kuchen im Flughafencafé. Abends am Nordstrand den Sonnenuntergang betrachten. Täglich bringen die Bäderschiffe mittags die Tagesausflügler, nachmittags fahren diese wieder zurück. Am Horizont ziehen Frachter oder Containerschiffe vorbei.

Unverrückbar ankert ein Notfall-Hochseeschlepper etwas abseits der Düne. Und ebenso dauernd im Blick ist der rote Fels von Helgoland, überragt von Leuchtturm und Funkmasten. Die Hauptinsel bietet Läden und Restaurants. Es darf zollfrei eingekauft werden – ein Relikt aus der Zeit, als die Insel 1807 bis 1870 britisch war.

Überhaupt gibt es viele Spuren einer wechselvollen Vergangenheit. In beiden Weltkriegen mussten die Helgoländer ihre Insel verlassen. Aus der heute so stillen Düne sollte im Zweiten Weltkrieg ein riesiger Marinehafen werden. 1947 versuchte die britische Besatzung, den roten Felsen in die Luft zu sprengen.

Zur Geschichte Helgolands gibt es Exkursionen, alte Bunkeranlagen sind zu besichtigen. Man kann in Börtebooten die Insel umrunden. Auch bietet die Außenstelle des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung biologische Exkursionen an. Ein Museum erinnert an den Kinderbuchautor James Krüss (1926-97). In „Mein Urgroßvater und ich“ erzählte er von den Hummerfischern und ihren Buden am Hafen.

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Ein Rundweg auf dem Oberland führt zum Wahrzeichen von Helgoland, dem einzeln stehenden Fels Lange Anna. Auf den Klippen nisten Tausende Seevögel. Man steht direkt neben den Nestern der weißen Basstölpel. Etwas tiefer nisten die Trottellummen, eine kleine Pinguinart.

Und doch ist es so, dass man als Zeltgast auf der Düne Richtung Helgoland schaut, dann seine Lebensmittelvorräte abschätzt und lieber den Campingkocher anwirft: Es reicht noch, du musst einen weiteren Tag nicht von deiner Düne herunter. (dpa)