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Landtagswahl MV: Grüne-Spitzenkandidatin will Probleme angehen – „Viele Leute sind zu Recht wütend“

Landtagswahl MV: Grüne-Spitzenkandidatin will Probleme angehen – „Viele Leute sind zu Recht wütend“

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Anne Shepley, Grüne-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in MV Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Büttner

Die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern (MV) steht vor der Tür. Die Grünen haben laut einer aktuellen Umfrage gute Chancen, ins Parlament in Schwerin einzuziehen. Bei der Wahl vor fünf Jahren hatte die Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht geknackt.

MOIN.DE hat mit Anne Shepley, Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl MV über Tourismus, Umweltschutz und eine „Riesenchance“ für das Land gesprochen. Die Politikerin versteht, warum viele Menschen gerade wütend sind und will das ändern.

Landtagswahl MV: „Ich habe meine Heimat sehr vermisst“

Frau Shepley, Sie haben die Welt bereist, waren viele Jahre in Neuseeland. Was hat Sie zurückgeführt?

Ich habe meine Heimat sehr vermisst. Das sind bestimmte Sachen wie die Ostsee und die weiten Felder, aber auch Familie und Freunde, die es halt nur einmal auf der Welt gibt und zwar für mich in MV.

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Viele junge Menschen gehen weg aus MV. Was muss passieren, dass sie bleiben oder zurückkommen?

Viele kommen wieder. Aber noch längst nicht genug. Wir müssen bessere Jobs schaffen, bessere Löhne zahlen. Und Leute, die wieder herkommen, wollen das ganze Paket. Kitaplätze, Infrastruktur, Glasfaser an jeder Milchrampe, weil das einfach zur Lebensqualität dazugehört. Junge Menschen brauchen hier eine Perspektive. Seit 30 Jahren haben wir hier eine Negativerzählung: Die große Industrie fehlt, wir haben niedrige Löhne und Renten. Wir haben zwar eine tolle Natur, aber davon kann ich keine Familie gründen. Mein Interesse wäre, dass wir das umkehren.

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Das ist Anne Shepley:

  • Anne Shepley wurde 1979 in Stralsund geboren.
  • Sie studierte Kommunikationswissenschaft und Polonistik in Greifswald und war dann zehn Jahre lang unterwegs, davon lange in Neuseeland.
  • Seit 2014 ist sie zurück in MV und lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter nahe Schwerin.
  • Sie arbeitet im Bereich Recruiting und unterstützt Unternehmen bei der Mitarbeitersuche.
  • Offiziell politisch aktiv ist sie seit 2018, als sie Mitglied im Kreisverband der Grünen in Schwerin wurde. Ihr Kreisverband ist jetzt Nordwestmecklenburg.

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Welche Geschichte wollen Sie stattdessen erzählen?

Ich will, dass wir aus der Negativerzählung etwas Gutes machen. Warum werden wir nicht Weltmarktführer für den Ausbau von klimafreundlicher Schifffahrt, für Kreuzfahrtschiffe zum Beispiel? Das müssen wir uns zutrauen und das dürfen wir auch. Auch mit erneuerbaren Energien haben wir eine Riesenchance, gut bezahlte Jobs zu schaffen. Und dann gibt es natürlich Stellschrauben auf Bundesebene wie die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro, die ich für einen ganz wichtigen und überfälligen Schritt halte.

Bei der Windkraft gibt es schon heute Probleme mit Anwohnerinnen und Anwohnern. Wie wollen Sie Akzeptanz schaffen, um noch mehr Windräder aufzustellen?

Wir müssen viel mehr und transparenter ins Gespräch gehen. Viele Leute sind zu Recht wütend. Da kommt der Investor und sagt, wir bauen dir jetzt das Windrad vor die Nase und dann ist das so. Zwei Prozent der Profite müssen an die Gemeinden wieder abgegeben werden. Das sind pro Windrad 20.000 Euro im Jahr. Man muss die Ängste ernst nehmen, aber man muss daran arbeiten, sie abzubauen. Wir sind in MV in der ganz tollen Situation: Wind und Sonne ohne Ende und wir haben den Platz. Unseren klimafreundlichen Strom in den Rest der Republik zu exportieren – diesen Standortvorteil müssen wir nutzen.

Die Grünen liegen laut Umfragen bei acht Prozent. Es ging zuletzt zwar wieder hoch, tendenziell seit dem Frühjahr aber abwärts. Woran, denken Sie, liegt das?

Wir sind nie ganz unabhängig vom Bundestrend. Es ist wirklich schwierig in MV, das Klimathema an die Menschen weiterzugeben. Das sagen wir als Grüne schon seit 30 Jahren. Ich bin da nicht glücklich drüber. Aber wir haben sehr viel ehrenamtliches Engagement, sind in allen Kommunalparteien mit Fraktionsstärke vertreten und haben in den letzten Jahren wirklich gute Arbeit geleistet. Wir kämpfen extrem hart und tun das mit viel Herz.

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Wie zuversichtlich sind Sie, dass der Einzug ins Parlament gelingt?

Sehr zuversichtlich.

Die Grünen haben es in den Bundesländern im Osten generell schwerer als im Westen von Deutschland. Womit erklären Sie sich das?

Ein Grund ist sicher, dass die Menschen Themen wie bessere Löhne und soziale Gerechtigkeit im Osten stärker umtreiben und die Lebensarbeitsleistung immer noch nicht anerkannt wird. Die Grünen waren immer stark in Sozialpolitik, haben das aber nicht klar genug kommuniziert. Das ändert sich gerade sehr. Wir wollen den sozialen Ausgleich fördern. Unsere Wahlprogramme kurbeln die Wirtschaft an, schließen die soziale Schere. Wir müssen Stück für Stück sehen, wie wir das transportieren.

Womöglich könnte es rein rechnerisch am Ende sogar für eine Koalition mit der SPD reichen. Wäre Sie gerne in der Regierung?

Dazu kann ich noch nicht viel sagen. Ich wäre gerne im Landtag jemand, der sehr viele grüne Inhalte umsetzen wird. Es ist total wichtig, dass wir als allererstes mit konkreten Maßnahmen und einem Klimaschutzgesetz vorankommen. Wir werden schauen, wie wir das nach dem 26. am besten umsetzen können.

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Interviews mit weiteren Spitzenkandidaten zur Landtagswahl MV:

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Ein Umweltthema, das in MV bewegt, ist der Tourismus. Einigen Einheimischen wird es zu viel. Es gibt Kritik an Großprojekten. Wie sieht ein nachhaltiger Tourismus in MV aus?

Wir müssen sehr genau schauen, wie viel unsere Regionen leisten können. Wer nach Rügen will, steht nur noch im Stau. Wir brauchen kleineren Tourismus, keine Bettenburgen, kleinere Unterkünfte, Qualität anstatt Quantität. Beim Projekt auf dem Bug müssen wir zu der alten Baugenehmigung heute auf keinen Fall mehr Ja dazu sagen, weil Rügen schon überlaufen ist. Es geht auch um Mobilität. Es funktioniert nur dann gut, wenn ich überall mit dem Zug und Rad hinkomme. Wenn ich mit dem Zug anreise und mir dann ein Auto im Carsharing hole oder wenn ich dann mit dem Lastenrad weiterfahre. Wir müssen die Verkehrswende vorantreiben. Es schont unsere Landschaft. Wenn wir die Natur runterwirtschaften, wird in ein paar Jahren niemand mehr kommen.