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Konzerte in Hamburg: Veranstalter verraten, wie Corona die Branche für immer verändern wird

Konzerte in Hamburg: Veranstalter verraten, wie Corona die Branche für immer verändern wird

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Dicht an dicht, schwitzend und mitsingend – wird man Konzerte je wieder so erleben? Foto: Isabel Schiffler/Imago

Hamburg. 

Die vergangenen Wochen waren eine harte Zeit für alle Musikfans in Hamburg – und von denen gibt es viele. Schließlich ist Hamburg die Stadt der Konzerte, üblicherweise hatte man an jedem Tag der Woche die Wahl zwischen mindestens einer Handvoll ganz verschiedener Bands.

Seit Corona ist das vorbei. Die Konzertbranche in Hamburg liegt brach. Und die Frustration der Fans wird nur noch von der der Musiker, Clubbetreiber und Konzertveranstalter übertroffen. Sie alle ahnen, dass Konzerte wohl das Letzte sein werden, was im Rahmen der Coronakrise wieder komplett erlaubt wird. Was ist bis dahin? Und werden Clubshows überhaupt jemals wieder so sein wie früher?

Konzerte in Hamburg: Werden sie je so sein wie früher?

MOIN.DE hat mit zwei Menschen gesprochen, die gerade ganz nah dran sind am Geschehen. Frehn Hawel von der Karsten Jahnke Konzertagentur, die viele der großen und kleinen Shows in Hamburg veranstaltet – unter anderem die Stadtpark-Konzerte und das Reeperbahn-Festival und Andi Schmidt, dem Betreiber des Molotow, dem ebenso kleinen wie kämpferischen Club an der Reeperbahn.

Beide freuen sich gerade über erste kleine Erfolge auf dem Weg zur Normalität. „Wir haben den Biergarten im Hof seit einer Woche wieder auf“, sagt Andi Schmidt. „Immer freitags und samstags. Draußen ist das Ganze ja weniger dramatisch.“

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Allerdings ist Rumstehen, Grüppchenbildung und Umarmen zur Begrüßung auch hier noch verboten, stattdessen bekommen die Gäste zugewiesene Plätze. „Insofern isses gewöhnungsbedürftig“, sagt Schmidt.

Erste kleine Schritte in Richtung Normalität

Zumindest können Besucher also am Wochenende mal wieder etwas Molotow-Luft schnuppern, aber Konzerte gibt es noch nicht. Und Andi Schmidt ist sehr skeptisch, ob sich das so bald ändern wird.

„Wir haben das mal ausgerechnet: Wenn wir die Auflagen erfüllen wollen, die der Stadt bisher vorschweben, passen 50 Leute in den Club“, sagt er. „Damit sind wir unterhalb der Gewinnzone. Das rechnet sich nicht.“

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Was nicht heißt, dass das Molotow die Chance nicht ergreifen wird und die ein oder andere Show auf die Beine stellen wird: „Wir werden das sicher trotzdem machen, einfach weil es geht und weil es das ist, was wir am liebsten tun“, sagt Andi Schmidt.

Live-Streams und Autokonzerte

Bei Karsten Jahnke ist man zwar gerade in Kurzarbeit, hat aber die Nase im Wind. Während der ersten Zeit der Corona-Krise organisierte das Team die Live-Stream-Reihe „Quaratunes“.

Zusammen mit dem Hamburger Verein RockCity, der sich für die Bands und Musiker der Stadt engagiert, und dem Technikdienstleister PM Blue zeichneten sie Konzerte aus einer Probenhalle in Billstedt auf.

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„Der Erlös ging zu zwei Dritteln an RockCity, die das gut verteilen können, und zu einem Drittel an die Mitarbeiter von PM Blue“, sagt Jahnke-Sprecher Frehn Hawel.

„Wir haben damit keinen Gewinn gemacht. Aber uns geht’s auch verhältnismäßig gut, das Unternehmen ist gottseidank grundsolide und hat Rücklagen.“

Hawel wendet aber auch ein: „Wenn man drüber nachdenkt, ob Streaming ein Modell für die Zukunft ist: eher nicht. Ein Konzert lebt von der Unmittelbarkeit. Man hat ja gemerkt: Da passiert das Gleiche wie früher, aber irgendwie ist es nicht das Gleiche.“

Konzerte leben von der Stimmung des Publikums

Am auffälligsten sei das gewesen, wenn eine Band einen Song beendete und Stille herrschte. Kein Publikum, kein Applaus, keine Euphorie.

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Um die Künstler wieder näher an die Fans zu bringen, versucht sich Karsten Jahnke jetzt an etwas Neuem: Autokonzerten. Auf einem Gelände am Cruise Terminal in Steinwerder werden in den kommenden Wochen Künstler wie Max Giesinger, Farid Bang oder Revolverheld vor einem Publikum in Pkw auftreten.

Autokonzerte am Elbufer in Steinwerder

„Sobald wir das Gelände zugesagt bekommen haben, konnten wir relativ schnell eine Reihe von 12 Shows aus dem Boden stampfen“, freut sich Frehn Hawel. Es habe nur ein paar Telefonate gebraucht die Musiker hatten natürlich alle große Lust, endlich wieder live zu spielen.

Was „normale“ Shows angeht, wollen weder Andi Schmidt noch Frehn Hawel Prognosen abgeben. „Ich habe mir abgewöhnt, zu spekulieren“, sagt Schmidt vom Molotow. „Man wird sich da Schritt für Schritt rantasten.“

Frehn Hawel geht davon aus, dass ab dem 1. Juli kleinere Shows wieder möglich sein werden. Ab dem 1. September dann vielleicht auch größere Konzerte, wie etwa im Stadtpark: „Ich will mir da aber keine Prognose zutrauen.“

Bands können noch nicht problemlos herumreisen

Doch auch dann wird nicht alles sofort wie früher sein. „Es gibt ja noch keine verlässliche Möglichkeit zu reisen für viele Bands, auch deshalb wird so schnell kein normaler Konzertbetrieb stattfinden“, erklärt Andi Schmidt.

Tourneen für ausländische Bands bräuchten eine gewisse Vorlaufzeit – all das wird also noch dauern.

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Vermutlich werden also die ersten echten Konzerte in Hamburg unter freiem Himmel, in kleinem Rahmen und mit Hamburger Musikern stattfinden. Aber sie werden stattfinden.

Die Fans werden wiederkommen hoffentlich

„Ich glaube nicht, dass die Leute wegbleiben“, sagt Andi Schmidt. Und:„ Ich glaube auch nicht, dass sich alles für immer verändert. Eher betrachte ich das gerade als eine Phase. Aber wir werden uns alle auch in Zukunft öfter die Hände waschen…“

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Auch Frehn Hawel ist optimistisch, dass die Fans sich nicht lange bitten lassen werden, wenn Konzerte wieder stattfinden dürfen.

„Zumindest hoffe ich das. Aber was sich verändert haben wird, ist die ganze Sache mit Nähe. Das wird in den Köpfen bleiben, bis es einen Impfstoff gibt.“