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Kraftklub in Hamburg: Plötzlich tanzt keiner mehr und es wird emotional – „Tränen in den Augen“

Kraftklub brachte das Publikum in Hamburg an seine Grenzen – nicht nur körperlich.

Kraftklub in Hamburg
© Luca Lena Wiggers

Hamburg, meine Perle: Warum die Stadt so einzigartig ist

Mit über 1,8 Mio. Einwohner ist Hamburg die zweitgrößte Stadt Deutschlands. Außerdem kommen rund sieben Mio. Touristen pro Jahr in die Hansestadt. Doch was macht die Stadt so beliebt und einzigartig?

„Diggah, bei dir läuft Blut aus der Nase – Aus der Visage direkt auf die Straße“ – der Moshpit beginnt sich zu bilden, jeder weiß: Gleich wird gesprungen. Gleich setzt der Refrain ein, es wird Zeit und Raum vergessen, sich die Seele aus dem Leib geschrien und hemmungslos getanzt. Kraftklub brachte sein Publikum in der Sporthalle in Hamburg am Montagabend an seine körperlichen Grenzen. Immer wieder erinnerte die Band daran: „Passt auf euch auf! Alle sollen sich hier wohl fühlen.“

Doch man mag es kaum glauben, es wurde auch wahnsinnig emotional. Vielen war es wohl lieb, dass das Licht gedämmt war, als Kraftklub in Hamburg eine Frau auf die Bühne holte, mit der wirklich niemand gerechnet hatte. Im Publikum brachen einige Dämme. Wer hier nicht mindestens Gänsehaut bekam, hatte die Ohropax wohl etwas zu tief in den Ohren versenkt.

Kraftklub in Hamburg: „Ich bin nicht allein“

Die Rap-Rock Band Kraftklub ist dafür bekannt, sich für ihre Ideale einzusetzen und eine politische Haltung zu beziehen. Vielleicht ist das auch gar nicht anders möglich, wenn man, wie die fünf Jungs, aus Chemnitz in Sachsen kommt.

Auf ihrer Kargo-Tour spielt die fünfköpfige Band unter anderem ihren neuen Song „4. September“ in diesem besingen sie den Tag nach ihrem „Wir sind mehr“ Konzert in Chemnitz. Am 3. September 2018 spielten sie vor 65.000 Menschen ein kostenloses Konzert als Antwort auf die rechtsextremen Ausschreitungen in der Stadt. „Doch am vierten September fahr’n die Züge wieder regulär und nichts hat sich verändert die Innenstadt ist wieder leer“ singen sie heute, vier Jahre später.

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Doch in Hamburg stellt Frontsänger Felix Kummer klar: „Und vielleicht sind wir nicht mehr, aber ich bin nicht allein“. Und das Gefühl hatte ganz klar jede und jeder am Montagabend in Hamburg. Durch Schweiß des Nachbarn, der sich mit dem eigenen verrieb. Füße, die auf andere Füße sprangen. Stimmen, die die gleichen Verse sangen – schrien. Spätestens als die Band eine junge Frau auf die Bühne holte fühlten sich alle Anwesenden verbunden, gemeinsam, stark.

Kraftklub in Hamburg: „Frauen. Leben. Freiheit.“

Kraftklub wäre nicht Kraftklub, wenn sie ihre Bühne nicht bei jeder Gelegenheit nutzen würden. „Wenn ich ein Mikro in der Hand habe, trage ich eine Verantwortung“, sagt Kummer zu dem Publikum der ausverkauften Sporthalle. Er sieht sich aber nicht in der Situation über Dinge aufzuklären über die er „nicht viel Ahnung“ habe, das sollten lieber die tun, die wirklich Ahnung haben. Die Menge ist gespannt, still, niemand tanzt mehr. Das Licht ist gedämmt.

Kummer bittet eine junge Frau auf die Bühne. Die iranisch-stämmige, in Deutschland geborene Sängerin Maryam.fyi betritt die Bühne. Dann beginnt sie zu singen. In der Sprache ihres Vaters singt sie das Freiheitslied „Baraye“.

Die Stimmung in der Halle ist wie ausgewechselt. Zwischen die Schweißtropfen in den Gesichtern mischen sich salzige Tränen. Dämme brechen. Gänsehaut hat jede und jeder. Zwei Finger, die das Peace-Symbol formen, ragen nach oben. Die Halle ist ein Teppich voller Friedenszeichen. „Wir müssen Social Media nutzen und auf Demos gehen. Das ist die einzige Waffe, die wir haben“, sagt Maryam nach ihrem Song. „Frauen. Leben. Freiheit.“

Für den Song „Kein Gott, kein Staat, nur du“ bleibt sie bei Kraftklub auf der Bühne – ein Statement, das wohl eindeutiger nicht sein kann.


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Das bunt gemischte Publikum jeder Altersklasse gibt zur letzten Zugabe, „Songs für Liam“, am Ende des Abends noch einmal Vollgas. Wer den Saal nicht klitschnass und heiser verließ, hat sich wohl in der Tür geirrt. Alle strahlen, sind dankbar und doch liegt auch eine gewisse Nachdenklichkeit in der Luft. „Ich hatte Tränen in den Augen“, flüstert irgendwo ein Mann zu seinen Kumpels.