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Sylt: Nur noch mit Test auf die Insel? Bürgermeister-Kandidaten sind sich einig

Sylt: Nur noch mit Test auf die Insel? Bürgermeister-Kandidaten sind sich einig

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Ende März wird sich entscheiden, wer auf Sylt die Regierung übernimmt. Foto: picture alliance / Zoonar & picture alliance/dpa

Es bleibt spannend auf Sylt. Am 28. März ist Stichwahl. Dann entscheiden die Sylter, wer ihr neuer Bürgermeister wird. Die rund 13.000 Wahlberechtigten können ihre Stimme entweder dem amtierenden Nikolas Häckel (parteilos) oder Herausforderer Clemens Raab (CDU) geben. Von den ursprünglich vier Kandidaten hatte am 7. März keiner die nötige absolute Mehrheit erreicht (MOIN.DE berichtete). Häckel holte 46,7 Prozent der Stimmen, Raab 32,5 Prozent.

Auf der Insel und auf dem Festland, von Niebüll bis zum Bodensee, treibt viele Sylt-Fans diese Frage um: Wann dürfen sie wieder Urlaub machen auf ihrer Lieblingsinsel? Gefolgt von der Frage: Wie wird Urlaub im zweiten Jahr der Corona-Pandemie aussehen? MOIN.DE hat kurz vor der Wahl mit den beiden Kandidaten über Corona-Tests, Osterurlaub und die ewigen Staus auf dem Weg zur Insel gesprochen.

Sylt: Das ganze Interview von MOIN.DE mit den Kandidaten der Stichwahl

Herr Häckel, Herr Raab, Sie leben an einem Ort, der viele Urlauber anzieht. Wo machen Sie gerne Urlaub?

Clemens Raab: In den Bergen. Jetzt nicht zum Skifahren, denn Leistungssport ist nicht so meine Kernkompetenz, eher dann im Sommer.

Nikolas Häckel: Wenn man da lebt, wo andere Urlaub machen, braucht man keinen Urlaub. Dann fühlt man sich da einfach richtig wohl.

Was ist Ihr Lieblingsort auf der Insel?

Häckel: Meine Insel.

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Raab: Lacht. Oh, da wird es jetzt schwierig zu antworten. Aber im Ernst: Was ich so sehr schätze an unserem Sylt, ist die Ruhe am Morsumer Kliff und dann, nur ein wenig weiter, wenn jemand mehr Leben will, dann kann er ins Zentrum von Westerland. Diese wunderschöne Insel bietet einfach alles.

Die Frage, die sehr viele umtreibt: Wird Urlaub zu Ostern auf Sylt möglich sein?

Häckel: Wenn die Bundesregierung und die Landesregierung das entscheiden, dann dürfen Gäste wieder bei uns übernachten. Jetzt können sie schon als Tagesgäste anreisen. Wie es weitergeht mit Übernachtungen und dem Besuch der Gastronomie, das müssen wir abwarten.

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Das ist Nikolas Häckel:

  • geboren am 30. März 1974, aufgewachsen auf Sylt
  • Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt Westerland, später Studium zum Diplom-Verwaltungswirt (FH)
  • Seit 1995 verschiedene Tätigkeiten in der Verwaltung auf Sylt, von 2000 bis 2003 Leiter des Bauverwaltungs- und Planungsamtes
    der Gemeinde Sylt-Ost/des Amtes Landschaft Sylt
  • Von 2003 bis zu seiner Wahl Leiter des Bauamtes der Gemeinde Kronshagen
  • seit Mai 2015 Bürgermeister der Gemeinde Sylt

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Aber ist Ostern aus Ihrer Sicht realistisch?

Häckel: Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht spekuliere, sondern mich lieber auf die Fakten verlasse. Wir müssen uns alle noch ein paar Tage gedulden.

Herr Häckel, Sie hatten vorgeschlagen, dass man nur noch mit negativem PCR-Test auf die Insel darf. Wie würde das konkret aussehen?

Häckel: Wir hatten vorgeschlagen, dass wir empfehlen, nur noch mit negativem PCR-Test bei uns anzureisen. Das ist ein Unterschied. Weil wir natürlich nur empfehlen können, was man auch umsetzen kann. Unser Appell war, dass man bitte mit negativem PCR-Test anreisen mag. Wer ohne Test anreist, sollte bitte schnell einen nachholen. Dafür schaffen wir Angebote.

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Wie zum Beispiel?

Häckel: Es wäre dann so, dass die Vermieter diese PCR-Tests kontrollieren und dokumentieren sollen. Eine Idee ist auch, Gäste zu bitten, sich ein- bis zweimal pro Woche auf der Insel testen zu lassen. Eine weitere, in der Innen-Gastronomie nur dann Termine freizugeben, wenn ein negativer Test vorliegt.

Wichtig ist: Testen, testen, testen. Und dafür schaffen wir mit den Testzentren auf der Insel gerade die Möglichkeiten.

Herr Raab, wie ist Ihr Eindruck vom Tourismus mit Blick auf Frühjahr und Sommer?

Raab: Es ist genau richtig, was der Bürgermeister sagt. Wir müssen gut schauen, was möglich ist und aufs Land gucken und dann gemeinsam eine Entscheidung treffen: Ist es vor Ostern? Ist es nach Ostern? Es hat beides ein Für und Wider. Aber die Gesundheit sollte an erster Stelle stehen. Dann kann es auch im Zweifel nach Ostern sein.

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Das ist Clemens Raab:

  • geboren am 20. August 1978, aufgewachsen in Schömberg im Nordschwarzwald
  • Ausbildung zum Bankkaufmann in Stuttgart, später Studium zum Diplombetriebswirt an der Fachhochschule Kaiserslautern
  • Von 2005 bis 2009 war Raab Direktor der Südwestbank in Plüderhausen
  • 2009 nahm er einen Job bei der Nord-Ostsee-Sparkasse auf Sylt an und zog auf die Insel
  • Heute ist Clemens Raab Filialleiter der Hypo-Vereinsbank Sylt

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Was halten Sie von der geplanten Teststrategie?

Raab: Auch da bin ich beim Bürgermeister. Ich glaube, dass es wirklich sinnvoll ist, mit einem negativen Test anzureisen. Ich persönlich könnte mir auch vorstellen, dass es auch ein Schnelltest sein kann. Ich finde es auch wichtig, dass wir unsere eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Hotels, in den Restaurants, dem Einzelhandel, überall auf der Insel, regelmäßig testen. Wenn wir’s von unseren Gästen erwarten, müssen wir’s auch selber machen.

Welche Möglichkeiten sehen Sie über das Testen hinaus?

Raab: Eine gute Nachverfolgung, beispielsweise mit der Luca-App, ist wichtig. Es könnte auch eine andere sein, Hauptsache eine, die für alle einfach händelbar ist.

Herr Häckel, wie sind die Erfahrungen mit der Luca-App auf der Insel?

Häckel: Die ersten Betriebe wenden die an. Die Verwaltung wendet sie an. Bisher ist das sehr praktikabel. Ich sehe überall schon die QR-Codes. Wichtig ist, dass wir uns mit dem Gesundheitsamt im Vorfeld abgestimmt haben.

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Wie hart trifft Corona die Insel wirtschaftlich?

Häckel: Der Lockdown ist für uns wirtschaftlich schon ein Desaster. Viele Betriebe warten auf das Ostergeschäft, damit sie über die Runden kommen. Die Coronahilfen laufen ja nicht so flüssig, wie sie sollten. Bund und Länder arbeiten nicht so schnell, wie sie sollten, das tut vielen weh.

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Das ist Sylt:

  • Sylt ist die größte nordfriesische Insel und liegt in der Nordsee
  • Nach Rügen, Usedom und Fehmarn ist Sylt die viertgrößte Insel Deutschlands
  • Zahlreiche Gebiete auf und um Sylt sind als Schutzgebiete ausgewiesen. Auf der Insel gibt es allein zehn Naturschutzgebiete
  • Im Sommer befinden sich täglich rund 150.000 Menschen auf der Insel
  • Zum Vergleich: Lediglich rund 18.000 Menschen leben auf Sylt

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Pendler könnten neue Infektionen auf die Insel bringen. Wie groß ist diese Sorge auf der Insel und welche Vorsichtsmaßnahmen gibt es?

Häckel: Natürlich haben wir Angst um unsere Beschäftigten. Gar keine Frage. Das Land als Auftraggeber hilft uns zwar und die Züge werden nun regelmäßig gereinigt, es gibt Vorsichtsmaßnahmen. Doch noch hat die Bahn ihre Zuglängen nicht verstärkt. Die Züge sind zu kurz. Die Bahn ist bisher eher rückwärtsgewandt. Wir hoffen, sie nach und nach bewegen zu können.

Staus bei der Anreise und auf der Insel sind ein Dauerbrenner. Herr Raab, welche Lösungen sehen Sie da?

Raab: Diese Staus erleben wir alle jedes Jahr. Das ist nicht schön. Auf beiden Seiten. Wir schauen manchmal zu sehr nach Sylt. Wir müssen noch mehr den Blick aufs Festland wagen. Die Bürgerinnen und Bürger in Niebüll leiden auch, dass das Gewerbegebiet verstopft ist. Es ist wichtig, dass wir besser zusammenzuarbeiten. Wir müssen mehr Anreize schaffen, damit die Leute das Auto möglichst auf dem Festland lassen.

Zum Beispiel?

Raab: Wenn Sie kommen, dann dürfen sie hier eine Woche kostenlos mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren. Dieses Jahr werden wir aber wieder ein sehr großes Verkehrsaufkommen haben, weil sich die Leute in der Pandemie sicherer fühlen, wenn sie individuell anreisen.

Herr Raab, Sie werben mit dem Slogan: „Sylt kann besser“. Was kann Sylt denn besser?

Raab: Sylt kann vieles besser, etwa bei den Themen Autoverladung, Reservierungssystem, und Fahrradwegekonzept. Das sind Beispiele für die inhaltlichen Themen. Sylt kann vor allem besser in der Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Politik und zwischen den Amtsgemeinden. Wir müssen mehr Brücken bauen. Die Zeit der Mauerbauer ist vorbei.

Herr Häckel, sehen Sie sich als Mauerbauer?

Häckel: Ich muss da etwas schmunzeln. Natürlich kann man bei 350 Mitarbeitern in der Gemeinde nicht alle glücklich machen. Man muss auch mal Grenzen ziehen. Aber die Mitarbeiter sind hochmotiviert, sie haben Fortbildungsmöglichkeiten, sie erfahren Wertschätzung. Aber ja, wir sollten mehr Brücken bauen im politischen Miteinander, das ist immer gut, obwohl wir ja eigentlich auf der Insel selber nicht mehr bauen wollen.

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Den raumordnerischen Vertrag, den andere Gemeinden auf Sylt mit dem Land unterschrieben haben, hat Ihre Gemeinde allerdings nicht unterschrieben. Sie haben sogar geklagt. Bei dem Vertrag geht es um das Schaffen von bezahlbarem Dauerwohnraum. Braucht den Ihre Gemeinde nicht auch dringend?

Häckel: Auf jeden Fall. Deshalb sind wir auch nie gegen die Schaffung von Dauerwohnraum. Das ist ganz, ganz wichtig. Wogegen sich viele wenden, ist das Höher, Schneller, Weiter und noch mehr Ferienwohnungen. Mit dem Vertrag ging in List auch das Projekt „Dünenpark“ einher mit 90 Ferienwohnungen. Das ist nicht gewollt. Wir wollen einen Stopp an Hotels und Ferienwohnungen. Das sagt ja auch das Tourismuskonzept. Der Streit, der sich entbrannt hat, ist die zeitgleiche Beratung des „Dünenparks“ in List. Und das muss man trennen.

Was haben Sie vor, um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen?

Häckel: Wir müssen vor allem Dauerwohnraum erhalten und dürfen nicht noch mehr in Ferienwohnungen umwandeln. Wir verlieren jedes Jahr 70 Dauerwohnungen. Das kann nicht sein. Wir müssen auch neuen schaffen und brauchen eine gemeinsame insulare Strategie.

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Herr Raab, wie sehen Sie das?

Raab: Ich bin da häufig falsch verstanden worden in letzter Zeit. Ich möchte auch kein Höher, Schneller, Weiter. Das will keiner mehr hier auf der Insel. Dauerwohnungen sind sehr wichtig. Auch ich bin für eine Sicherung des Bestands. Ich halte den raumordnerischen Vertrag allerdings grundsätzlich für einen guten. Die Ferienwohnungen in List sind nicht, was wir uns gewünscht hätten, aber auf der anderen Seite werden auch 300 Dauerwohnungen geschaffen.

Keine neuen Ferienwohnungen mehr, keine neuen Hotels – gibt es auf der Insel einen Überdruss an Urlaubern?

Häckel: Nein, auf keinen Fall. Das Wort Überdruss ist wahnsinnig negativ konnotiert. Der Tourismus ist sehr wichtig für die Insel. Es geht um ein Feinjustieren. Wir sind jetzt offensichtlich beide gegen ein Höher, Schneller, Weiter. Wir haben auf der Insel einen beschränkten Raum und um weiterhin Qualität zu bieten, müssen wir den Gästen ihren Raum zusprechen. Dann sind auch unsere Mitarbeiter entspannter, wenn sie nicht nur im Stress arbeiten. Dieses Gesamtpaket müssen wir neu schüren, da musst jeder mit anpacken, da darf es kein schwarzes Schaf geben.

Wenn jeder mitanpacken muss: Müssen dann auch Urlauber ihr Verhalten ändern? Stört Sie da etwas?

Häckel: Wir bieten Urlaub für jedermann an. Jeder Gast ist willkommen, wenn er sich hier mit uns im Einklang befindet und ein gutes Urlaubserlebnis haben möchte. Freuen uns, wenn jeder in dieser nachhaltigen Tourismusstrategie mitzieht.

Raab: Ich bin gerade sehr, sehr positiv angetan von unserem Bürgermeister Herr Häckel. Das sind wunderbare Worte und so wünschen wir uns das alle, dass wir hier gut leben können. Das Einzige, das ich noch anmerken möchte: Er hätte ja schon sechs Jahre Zeit gehabt, das Ganze so in die Richtung zu bekommen. Dann hätten wir uns alle auf diesem Weg mitgenommen gefühlt.

Häckel: Auch hier kann Sylt nicht besser, nur anders. Eigentlich brauchen Sie Ihre Wahlplakate gar nicht mehr.

Raab: Teilweise sind die auch schon abgenommen. Aber es hängen schon noch welche.

Vor Weihnachten hat die Gemeinde Sylt an Zweitwohnungsbesitzer appelliert, der Insel bitte fernzubleiben. Wie ist die Lage jetzt?

Häckel: Der Appell aus dem letzten Herbst war der Appell der Bundeskanzlerin: „Bleiben Sie zuhause“. Das habe ich immer wieder nach vorne getragen. Was jedermann in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt berücksichtigen sollte, sollten wir auch auf Sylt. Nur weil wir hier viel Wind haben, kriegen wir nicht jedes Coronavirus weggepustet.

Sie bitten Zweitwohnungsbesitzer also weiterhin, nicht zu kommen?

Häckel: Ich finde auch heute noch: Reist so wenig wie möglich. Bleibt zuhause. Haltet euch an die Abstands- und Hygieneregeln.

Raab: Auch unsere Zweitwohnungsbesitzer gehören zur Insel dazu, die Zahlen auch ein gutes Geld dafür. So lange es erlaubt ist, dass sie kommen dürfen und das ist es aktuell, tun wir gut daran, sie willkommen zu heißen. Ob sie in ihrer Wohnung in Hamburg daheimbleiben oder hier auf Sylt, spielt keine Rolle.

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Herr Häckel, Sie sind gebürtiger Sylter. Herr Raab, Sie sind 2009 aus dem Süden auf die Insel gezogen. Was hat sie nach Sylt geführt?

Raab: Zum einen ein gutes Jobangebot bei der Nord-Ostsee-Sparkasse. Aber noch viel interessanter und viel schöner: Ich habe in Stuttgart im Talkessel gelebt und gearbeitet und da geht im Sommer nicht ansatzweise mal ein Lüftchen. Und das hat mir hier auf Sylt immer sehr gut gefallen. Und die Kombination aus Jobangebot mit der wunderbaren Insel und der guten Luft, das war das Perfekte für mich.

Häckel: Auch da kann Sylt nicht besser.

Raab: Da kann Sylt definitiv nicht besser.