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Schwerin: Der Name dieser Frau steht auf einer Todesliste – was jetzt herauskam, empört sie

Schwerin: Der Name dieser Frau steht auf einer Todesliste – was jetzt herauskam, empört sie

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Noch immer laufen Nordkreuz-Verfahren in MV. Karoline Preisler sagt, die Gefahr sei permanent spürbar. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bernd Wüstneck, picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bernd Wüstneck (Montage MOIN.DE)

Karoline Preisler ist wütend. Sie verlangt von der neuen Regierung in Schwerin, dass sie viel mehr gegen Rechtsextremismus unternimmt. Für die FDP-Politikerin, Juristin, Autorin und Mutter aus Barth in Mecklenburg-Vorpommern (MV) ist die Bedrohung durch rechte Gewalt präsent. Angst habe sie nicht, aber die Gefahr sei permanent spürbar.

Neue Erkenntnisse zur rechtsextremen Gruppierung Nordkreuz treiben Karoline Preisler um. Das Netzwerk war in den vergangenen Wochen sowohl im Bundestag in Berlin als auch im Landtag in Schwerin Thema.

Schwerin: „Wir gehen vom Schlimmsten aus: dass sie töten wollen“

Menschen, die sich für eine liberale, offene Gesellschaft einsetzen, stehen auf den Feindeslisten von Nordkreuz. Menschen wie Karoline Preisler, die ehrenamtlich in der FDP aktiv ist, und ihr Mann Reinhold Hagen, der gerade für die FDP wieder in den Bundestag gewählt wurde.

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Im Gespräch mit MOIN.DE sagt Preisler, sie und ihr Mann hätten 2014 ziemlich schnell reagiert, als viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Sie engagierten sich in einem Helferkreis. „Das passte den Nordkreuz-Leuten natürlich überhaupt nicht.“

Mitglieder dieser rechtsextremen Gruppierung, darunter auch Polizisten und Soldaten, horteten Munition und Waffen und führten Feindeslisten. Sie bereiteten sich auf einen Zusammenbruch des Staates vor. Die Prepper hatten auch Listen mit Anschaffungswünschen. Darauf fanden sich unter anderem Löschkalk und Leichensäcke. Karoline Preisler sagt: „Wir gehen vom Schlimmsten aus: dass sie töten wollen.“

Vor zwei Jahren erfuhren Preisler und ihr Mann vom Landeskriminalamt, dass sie auf einer Feindesliste von Nordkreuz stehen. Ihren Wohnort in Mecklenburg-Vorpommern hält Preisler geheim – aus gutem Grund.

2014 brach jemand bei ihr zuhause ein und brannte fünf Hakenkreuze mit einem Bunsenbrenner in die Decke. Danach schmiedeten Preisler und ihr Mann einen Plan: Geht einer von beiden von einer Bedrohungssituation aus, teilen sie die drei Kinder auf und gehen an zuvor vereinbarte Orte.

Nach dem Einbruch mit den Hakenkreuzen erstattete Karoline Preisler Anzeige. Zu einer Aufklärung führte das nicht. Eine gute Erfahrung sei aber gewesen, so Preisler, dass der Staatsschutz viele Monate nach der Anzeige noch einmal vorbei gekommen sei und sich den Vorgang erneut schildern ließ.

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Sie habe für einen Augenblick den Eindruck gehabt, dass diese beiden Staatsschützer ganz ernsthaft Informationen gesammelt hätten. Die Enthüllungen rund um Nordkreuz haben das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden auf eine äußerst harte Probe gestellt.

Schwerin: Noch immer laufen Verfahren

Die Ermittlungen rund um das Prepper-Netzwerk Nordkreuz begannen vor vier Jahren. Noch immer laufen Verfahren. Behörden in MV haben seit Beginn insgesamt 21 Ermittlungsverfahren gegen zehn Personen eingeleitet. Das geht aus der Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage des Linken-Landtagsabgeordneten Peter Ritter hervor, die Mitte September veröffentlicht wurde. Von den Verfahren wurde knapp die Hälfte eingestellt.

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Das ist Schwerin:

  • Schwerin ist die Hauptstadt und zweitgrößte Stadt des nordöstlichen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern (MV).
  • Rund 100.000 Einwohner leben dort.
  • Schwerin ist bekannt für das Schweriner Schloss, das auf einer Insel im Schweriner See liegt.
  • Der Schweriner See hat eine Fläche von rund 62 km² und ist nach der Müritz der zweitgrößte See in Norddeutschland und der viertgrößte Deutschlands.
  • Sportlich ist Schwerin seit Fritz Sdunek als Boxerstadt und durch den zwölffachen deutschen Meister Schweriner SC als Volleyballstadt bekannt.

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Drei der Verdächtigten waren oder sind im öffentlichen Dienst beschäftigt, davon zwei als Polizeibeamte – einer der drei ist der insgesamt bislang einzige Verurteilte. Ob die beiden anderen aktuell noch verdächtigt werden, konnte eine Sprecherin des Innenministeriums nicht sagen.

Karoline Preisler nennt ihr Verhältnis zur Polizei dennoch „sehr, sehr gut“. Sie hat während der Corona-Pandemie immer wieder Querdenker-Demos besucht. Nicht, weil sie selbst eine Querdenkerin ist – ganz im Gegenteil. Die 50-Jährige machte gleich zu Beginn der Pandemie eine schwere Corona-Erkrankung durch und dann viele schlimme Monate mit Folgen von Long Covid.

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Am Rande von Querdenker-Demos versucht Preisler, mit den Teilnehmern ins Gespräch zu kommen, sie über die Krankheit und die Optionen der Politik aufzuklären. Sie steht dabei jeweils in der Nähe der Polizei. „Da fühle ich mich sicher“, sagt sie und fügt hinzu: „Aber mir ist auch klar, dass ich privilegiert bin. Hätte ich eine andere Perspektive, eine andere Geschichte, würde ich vielleicht andere Erfahrungen machen.“

Schwerin: „Eine Person kann sehr viel Schaden anrichten“

Das Schlimme sei, so Preisler: Wenn von 100 Polizisten, Mitarbeitern von LKA oder Verfassungsschutz einer rechtsextrem sei, könne diese Person bereits sehr viel Schaden anrichten.

Eine Neuerung der letzten Jahre: Die Landespolizei in Mecklenburg-Vorpommern hat inzwischen einen neutralen Ansprechpartner, an den sich Polizistinnen und Polizisten wenden können, wenn sie Probleme und Auffälligkeiten in den eigenen Reihen beobachten.

„Bei der Einstellung sicherzustellen, dass keine Rechtsextremisten beim Staat arbeiten, halte ich für eine große Herausforderung“, sagt Preisler. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter in Mecklenburg-Vorpommern ist der Meinung, dass eine wissenschaftliche Studie zu den Einstellungsmustern notwendig ist und politische sowie interkulturelle Bildung einen viel stärkeren Stellenwert im Berufsleben erhalten sollte. Das sehe ich auch so!“

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Dass die Gefahr durch Nordkreuz auch Jahre nach Beginn der Ermittlungen nicht gebannt ist, zeigt eine Antwort der Bundesregierung aus diesem Sommer. Sie teilte auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag mit, dass Nordkreuz fortbesteht und einige Mitglieder Zugang zu legalen Schusswaffen haben.

Für Karoline Preisler ein Unding. Sie hat zur Antwort der Bundesregierung im August einen vielbeachteten Tweet verfasst: „Vier Jahre leben unter anderem Politiker, Künstler, ich damit, dass wir auf deren Feindesliste stehen. Übel.“

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Was muss passieren? „Wir brauchen eine andere Fehlerkultur. Das gilt nicht nur für die Aufarbeitung von Nordkreuz. Das gilt auch für den NSU und für das Attentat am Breitscheidplatz. Wo ist die Bitte um Entschuldigung bei den Opfern und ihren Angehörigen? Bei der Aufarbeitung ist so viel falsch gelaufen.“

Es müsse nachvollzogen werden, wer innerhalb der Ordnungs- und Sicherheitsbehörden wann Daten von Bürgerinnen und Bürgern abrufe. „Da geht es um Opferschutz. Unsere Daten dürfen nicht in die Hände der falschen Menschen gelangen.“

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Klare Forderung an die neue Regierung in Schwerin

Preisler fordert: „Es braucht eine bessere Kommunikation. Bund und Land müssen unbürokratischer und besser zusammenarbeiten.“ Sie macht Manuela Schwesig und der Landesregierung in Schwerin große Vorwürfe: „Sie müssen innerhalb der Sicherheitsbehörden zur Extremismusbekämpfung Daten und Akten austauschen. Sie müssen weg von diesem Hoheitswissen.“

Sie nennt als Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Torsten Renz, der einen Bericht zu den Feindeslisten in Zusammenhang mit Nordkreuz geheim halten wollte. Ein Gericht entschied kürzlich anders. „Es braucht da mehr Transparenz. Das erwarte ich von der Regierung.“

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Von Manuela Schwesig, der klaren Siegerin der Landtagswahl in MV, erhofft sich Preisler „eine bessere Fehlerkultur“. Der nächsten Innenministerin oder dem nächsten Innenminister wünscht sie „ein glücklicheres Händchen bei der Bekämpfung der Feinde unserer Demokratie“.

Von den Feinden der Demokratie hat Karoline Preisler eindeutig genug.